Zeugnisse

© Evelyn Worbs

Die Sommerferien sind da – und vorher gab es  Zeugnisse, zu meiner Schulzeit auch gerne „Giftblätter“ genannt. Waren die Noten besonders gut, gab es eine Erfolgsprämie von den Eltern, die das Taschengeld aufbesserte, bei durchschnittlichen Zensuren eher Kritik.

Doch wie ist es heute? Immer mehr Kinder/Jugendliche haben Angst, mit den Zeugnisnoten zu ihren Eltern zu gehen. Depressionen gehören mittlerweile schon zum „Alltag“ bei den Schülern, selbst bereits schon in der Grundschule!

Sehr eindrucksvoll die Berichterstattung letztens bei Monitor (ARD):

Der Leistungsdruck steigt immer mehr, beginnend innerhalb der Familie und dem Umfeld, durch die Schule – und durch unsere Gesellschaft. Nur Leistung zählt …, immer top drauf sein, immer Stärke zeigen – bloß nie Schwäche. Da werden Kinder auf Sonderschulen geschickt, weil sie nicht der Norm entsprechen. Abweichungen werden toleriert und akzeptiert?

Weshalb ist es so schwer, den Kindern/Jugendlichen zu ermöglichen, in ihrem eigenen Tempo zu lernen, um dann doch zu guter letzt das ganze Pensum zu beherrschen?

Kinder- und Jugendpsychologie ist gerade heutzutage wichtiger den je, um den Kindern bzw. Tennagern aus dieser Not herauszuhelfen. Siehe dazu hier weitergehende Informationen/Interview.

Und es gibt Alternativen, wie z.B. die Ausrichtung nach Maria Montessori. Von ihr entwickeltes, kindgerechtes Lernmaterial bzw. veränderte Form der Wissensvermittlung trägt den unterschiedlichen Lernrhythmen der Kinder Rechnung. Ohne Überforderung.

Ich frage mich, weshalb alles immer nach einem gleichbleibenden Schema abzulaufen hat? Menschen sind und bleiben unterschiedlich. Und so hoffe ich, daß die betroffenen Kinder/Jugendlichen die psychologische Unterstützung finden, um aus dieser Stressfalle herauszukommen. Für ein gesundes Selbstvertrauen, um ihren eigenen Weg in ihrem eigenen Tempo zu gehen und um ihr Leben selbstbestimmt zu leben.

Herzlichst Evelyn


4 Kommentare

  1. 1. Hans-Werner Klaffl

    Kommentar vom 19. Juli 2010 um 23:26

    Für meinen Sohn konnte ich mit viel Mühe einen Platz in der Montessori-Schule Eggenfelden (Bayern) finden. Er lernte Zuhause, beherrschte alles, was er für den Unterricht oder gar eine Prüfung brauchte. Und dann, dann versagte er, in der sogenannten „normalen“ Schule. Irgendwann hatte ich genug davon, bemühte mich um eine Montessori-Schule. Nach dem Wechsel blühte mein Sohn auf. Ich auch, er brachte keine Hausaufgaben mehr nach Hause. Und ich bemerkte, dass die Anforderungen an ihn deutlich höher waren, in der Montessori-Schule. Aber mein Sohn blühte trotzdem auf – unlogisch werden da einige sagen.

    Die Erklärung geht so: Montessori heisst auch, dass Frontalunterricht (wenn alles schweigt und einer spricht, das nennt man Unterricht) SO nicht stattfindet. Es wird viel in Gruppen gearbeitet, gelernt. Bessere helfen Schlechteren und Lehrer moderieren.

    Das ist nicht alles, es würde hier zu weit führen, Montessori zu erklären. Es lohnt sich, darüber nachzulesen. Wer sein Kind mag, in 1. Linie, und dann, in 2. Linie, auch noch möchte, dass „hohe“ Ziele „mühelos“ angestrebt werden, der Vater, die Mutter, sollte sich erkundigen. „Mühelos“ heisst aber nicht, dass da nichts oder weniger geleistet wird, ganz im Gegenteil. Die Schule ist aber gänzlich anders.

    Vor allem spielt „Soziale Kompetenz“ bei der Montessori-Schule eine sehr große Rolle. Kinder werden dort nicht ausgegrenzt und Talente werden erkannt und gefördert. Es wird „für jeden was“ geboten.

    Ich denke, wir sollten Kinder nicht wie Computer „programmieren“. Und wir sollten ihnen nicht einreden, dass „Erfolg um jeden Preis“ von uns, von den Eltern, verlangt wird.

    Über das hinaus, was Montessori zu bieten hat, fordere ich, dass unzählige Lerninhalte aus den Lehrplänen verschwinden. Und ich fordere, dass unsere Kinder in der Schule in Sachen „Fremdsprachen“ lernen, sich zu unterhalten, anstatt dieses Büffeln von Gramatik. Weder wir Deutsche noch Franzosen oder sonst wer, braucht vordergründig die Grammatik, um sich zu unterhalten. Und Kommunikation ist wichtiger, als Theorie, sieht man doch hier im Internet. Hier unterhalten sich viele Menschen deutsch – ein Deutschlehrer wird geschockt sein, ein Psychologe begeistert.

    Mein Sohn, ein waschechter Bayer, ist heute mit einer Frau aus Kossovo-Albanien verheiratet und hat eine bildhübsche Tochter. Mein Sohn ist ein guter Vater und sehr wahrscheinlich auch ein hervorragender Ehemann. Ich mag ihn noch immer sehr.

    Wir alle sollten wohl vor allem unsere Kinder mögen, uns untereinander wohl auch…

  2. 2. Christine Franz

    Kommentar vom 1. August 2010 um 21:41

    Ich möchte hier nicht die Schule, bzw. das Schulsystem in Schutz nehmen, doch das, was „die Schule“ an Leistung fordert, ist nur ein Teil, der bei Kindern zur Überforderung führt. Grundsätzlich wollen Kinder immer die Erwartungen erfüllen, die an sie gestellt werden, sichert ihnen das doch die Zuneigung ihrer nächsten Umgebung (Eltern, Lehrer, Mitschüler) zu. Dies ist – nicht nur für Kinder – überlebenswichtig. Das Gefühl des Angenommen seins, die Gewissheit „ich bin richtig, so wie ich bin“. Eltern und das nächste Umfeld der Kinder (Großeltern, Freunde, etc.) beginnen schon früh der Schule eine Bedeutung zuzuschreiben, die sie nicht haben muss. Sätze wie: „Bald beginnt der Ernst des Lebens“, „Wenn du erst in die Schule kommst, kannst du nicht mehr so viel herumspielen.“, pflanzen Kindern schon im Vorfeld ein Bild von Schule ein, das mit Freude am Lernen und auch mit Fehler machen dürfen, nichts mehr zu tun hat. Unser Notensystem trägt ein Übriges dazu bei, dass Kinder nur noch dazu angehalten werden Fehler zu vermeiden und nicht über Versuch und Irrtum zur Lösung von Fragestellungen zu gelangen. Wir haben keine Fehlerkultur in unserer Gesellschaft. Fehler werden nicht als das betrachtet, was sie sind; nämlich falsche Schlußfolgerungen auf dem Weg zur Lösung, sondern immer als Ausdruck von Dummheit.
    Hier Druck zu nehmen wäre eigentlich ganz einfach. Meine Kinder hatten in der Grundschule das große Glück auch auf Lehrer zu treffen, die die Kinder in ihrer gesamten Person wahrgenommen haben; die immer auch Situationen geschaffen haben in denen Kinder, die sich vielleicht in den normalen schulischen Disziplinen wie Rechnen oder Schreiben schwerer taten als andere, zeigen konnten ( und auch über sich selbst erfahren haben), dass sie etwas anderes besser konnten als andere. Das war auch für uns Eltern sehr aufschlußreich. Manch ein Kind, das eben kein Theoretiker war, zeigte großes praktisches Geschick beim Schreinerprojekt und konnte in diesem Kontext plötzlich sogar das kleine Einmaleins anwenden. Mein Legasthenikersohn fürchtete sich vor keinem Diktat mehr und war motiviert weiter zu üben, als unter seinem Text nicht stand: du hast 48 Fehler, sondern du hast 70 Wörter richtig geschrieben.
    Es braucht eigentlich gar nicht viel, um Druck heraus zu nehmen aus dem Schulalltag – es braucht nur manchmal den Perspektivenwechsel. Und Eltern für die die gymnasiale Schullaufbahn nicht die einzig selig machende für ihr Kind ist. Sondern die gemeinsam mit den Lehrern herausfinden wo die Stärken ihres Kindes liegen und dann danach handeln.

  3. 3. Evelyn

    Kommentar vom 2. August 2010 um 22:07

    Lieber Hans-Werner und liebe Christine,

    Ihr beide sprecht mir dermaßen aus der Seele – ich kann es kaum glauben.

    Ja, der Hunger nach Liebe und Anerkennung läßt Kinder – und später auch die Erwachsenen (wenn dann auch in abgewandelter Form) – alles mögliche tun, um diese Geschenke zu erhalten.

    Weshalb ist es für so viele Menschen so schwierig zu erkennen, daß ein jeder Mensch einzigartig und liebenswert ist?

    Nachdenkliche Grüße
    Evelyn

  4. 4. Evelyn

    Kommentar vom 5. September 2010 um 22:13

    Liebe Christine,

    mich berühren Deine Ausführungen sehr. Und gerade der Augenmerk auf das „Fehler machen“ ist es, was in meinen Augen den Menschen – und insbesondere den Kindern – unnötig schwer macht und sie vielfach verzagen und versagen läßt. Und es ist so einfach, den Fokus auf das zu legen, was erfolgreich geschafft wird. Und jeder hat seine Erfolge und auf die darf man/frau auch stolz sein, und erst recht ein Kind. Dann fällt es auch leichter die Bereiche anzugehen, die bislang noch schwer fallen. Einfach weil der Mut dann da ist, auch die nächste Hürde zu nehmen. So wächst Selbstbewusstsein. Und das ist so nötig, um ein lebenswertes Leben zu führen. Eigene Ziele im Leben zu erreichen.

    Schön, Christine, daß auch du hier warst – und bis bald.
    Herzlichst
    Evelyn

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