Täter & Opfer oder Opfer & Täter im Kontext bewusst zu Sein (das große Sein)

Wie verhält es sich mit dem Thema Opfer/Täter?

Opfer/Täter

© R. Schmid

Kurzfassung

Im Sein gibt es das nicht. Es ist eine Interpretation des Außen, die wir dort so wahrnehmen, weil uns die Zusammenhänge verborgen sind.

Langfassung

Ein Täter tut etwas, ein Opfer erleidet es vom Täter. So einfach erscheint es, aber das ist nur der Schein der Dinge. Es steckt viel mehr dahinter, als wir auf den ersten Blick erkennen können. Wie bei einem Kriminalfall müssen wir, um ergründen zu können, was tatsächlich dahinter steckt, hindurch schauen in die Vergangenheit. Dabei können wir unglaublich viel analysieren und herausfinden, vielleicht sogar verstehen.

© Andrea Marchetti

Vom Sein aus gesehen bedeutet, hinter die Dinge zu schauen, uns durch die Dinge hindurch fallen zu lassen, indem wir sie ablegen. Wenn das Sein, die Quelle unserer Existenz, wie eine Sonne ist, deren Strahlen ins Außen dringen, so ist die Täter & Opfer- oder Opfer & Täter-Beziehung ein Strahl, der ziemlich weit vom Sein entfernt ist, wo wir auf einer Ebene sind, die sich schon weit im Außen befindet.

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Wir brauchen nur auf diesem Strahl zurück zu reiten, zurück zum Ursprung dessen, was im Außen dazu geführt hat, dass Opfer & Täter in irgendeiner Beziehung nach den Regeln des Außen als solche wahrgenommen wurden. Dann lassen wir das alles hinter uns, dann kommen wir auf die Ebene, wo diese Strahlen zusammentreffen. Das ist die Quelle allen Seins, die absolute, unumschränkte Macht, die Kraft, die Liebe.

Je weiter sich unser Bewusstsein davon entfernt, desto mehr kreisen auch unsere Gedanken und Erfahrungen auf den Umlaufbahnen des Außen. Wir nennen diese Umlaufbahnen „Außen“, weil sie so weit weg sind vom Sein, so weit, dass wir uns nicht erinnern, wer wir sind. Dann gibt es Situationen, in denen ich beispielsweise jemanden anschreie, ihn mit Worten verletze und der andere das Opfer dessen ist. Vielleicht hat er mich provoziert? Vielleicht ist es auch umgekehrt? Wir könnten das alles sicherlich verstehen, wenn wir alle Komponenten kennen würden, aber darum geht es nicht.

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Wir möchten uns aus der Opfer & Täter-Verstrickung befreien. Das erfordert, dass wir alle Bewertungen weglassen müssen. Wenn wir nirgends ein Opfer sehen und nirgends einen Täter, so bleibt nur das Endprodukt komplexer Entwicklungen, so bleibt einzig und allein unser Bewusstsein. Dann wissen wir oder wir wissen nicht. All das geschieht jetzt im Bewusstsein. Wenn wir nicht wissen, wenn alles undurchsichtig erscheint, selbst wenn wir wissen, aber nichts ändern konnten, gibt es immer nur einen Weg.

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Der Weg aus diesen Verschachtelungen, den Verästelungen und komplizierten Verwebungen führt durch alle Erscheinungen hindurch zum Ursprung. Es ist kein Weg in die Vergangenheit zurück, sondern es ist immer ein Jetzt. Es ist, als ob wir in eine andere Richtung schauen, unseren Fokus umorientieren. Es mag etwas Übung erfordern, dies sofort zu erreichen, aber in dem Vertrauen, dass es mir gleich gelingt, lasse ich mich durch alles hindurch fallen, was jetzt da ist.

Da erscheinen Gefühle: Ich bin das Opfer, oh nein, ich war Täter! Wie auch immer diese Erscheinungen aussehen mögen, durch diese Gefühle lasse ich mich hindurch fallen in die Klarheit des Seins. Dort entfallen Bewertungen und dort entfallen damit die Verstrickungen. Dadurch entstehen in unserem Bewusstsein Klarheit und Freiheit. Das war vorher schon da. Doch nur wenn wir unser Herz dafür geöffnet haben, durchdringt es unser gesamtes Erleben. Wir müssen die Tür öffnen, damit das Sein bewusst unser ganzes Jetztdasein durchdringt.

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Dann haben wir den richtigen Kapitän am Steuer. Dann ist es egal, ob die Wellen von rechts oder von links kommen oder der Wind von Nord, Süd oder Südost, dann sind wir im sicheren Fahrwasser.

Es gibt Leute, die sich in Beziehungen oft als Opfer fühlen und dies vermeiden möchten. Dies ist eine Ausgangsposition, die von Mangel durchdrungen ist, von dem Mangel an Stärke oder Durchsetzungskraft oder Selbstbewusstsein, wie auch immer wir das nennen möchten, hier gibt es sehr viele unterschiedliche individuelle Empfindungs- möglichkeiten. Diese Facetten ändern nichts daran, dass die Empfindung Opfer zu sein eine Interpretation des Außen ist. Ich bin im Mangel. Das bestimmt mein Leben und Empfinden. Und dieser Mangel, die Angst vor etwas, die Vermeidung von etwas, was ich ablehne, gibt dem, was ich ablehne, Kraft, weil ich ganz eindeutig innerlich mit dem Herzen bewerte: gut oder schlecht.

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Indem ich mich vertrauensvoll in die Hände des Seins begebe, kann ich mich öffnen. Dann ist diese Vorprogrammierung gelöscht, weil ich offen und frei schauen und erleben kann. Genauso verhält es sich umgekehrt, wenn Menschen davon ausgehen, dass sie Macher sind: Ich bestimme, ich entscheide. Auch in diesem Fall ist die innere Einstellung der Spiegel dessen, was erlebt wird.

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Was nun zuerst war, ist egal. Alles kann zurückgeführt werden in die Klarheit, dann entfällt der Zwang, etwas tun oder sein oder denken oder bestimmen zu müssen. In der Entspannung, hinein ins bewusste Sein, können wir die Fesseln des Außen ablegen. Wir bleiben immer verbunden mit dem Sein. Wir sind das Sein selber, immer, in jedem Zustand, aber unser individuelles Erleben ist auch im Außen.

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Die Frage ist, was ist für uns die Realität, die wahre Realität? Wenn wir uns dessen bewusst sind, dass das, was wir im Außen erleben, absolut real ist, aber das dahinter unser Zuhause ist, das wahre Sein, dann sind wir in einer anderen Dimension, dann habe wir festere Wurzeln, dann durchdringen wir das, was ist, was sich jetzt so im Außen zeigt und wir können die fest vorgegebenen Bahnen – das sind oft auch tief verankerte Ängste – verlassen, wenn wir uns mit der wahren Kraft vereinigen. Dann wissen wir, aber es ist ein Wissen, das über unseren Verstand hinaus geht. Es lebt in jeder unserer Zellen und es lebt auch, wenn diese Zellen vergangen sein werden, wenn wir uns denn so entschieden haben.

[R. Schmid, 10.01.2010]


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