Die Revolte des Körpers

© Heart Pics

Autorin ist Alice Miller

Das Buch von Alice Miller bietet in einer gut lesbaren Sprache sowohl einen Einstieg in ihr Werk für diejenigen, die es nicht kennen, als auch wichtige Ergänzungen für ihre langjährigen Leserinnen und Leser.

Hier einige Auszüge aus diesem Buch:

Ich kann mich noch gut an die Ängste erinnern, die mich begleitet haben, als ich  „Du sollst nicht merken“ schrieb. Es beschäftigte mich damals die Tatsache, daß die Kirche die Entdeckung Galileo Galileis dreihundert Jahre lang blockieren konnte und daß sein Körper mit Blindheit reagierte, als er dazu gezwungen wurde, die Wahrheit zu widerrufen. So befiel mich ein Gefühl der Ohnmacht. Ich wusste mit Bestimmtheit, daß ich auf ein ungeschriebenes gestoßen bin, auf den verheerenden Gebrauch des Kindes für die Vergeltungsbedürfnisse des Erwachsenen und auf die Tabuisierung dieser Realität in der Gesellschaft: Wir dürfen nicht merken!

© Heart Pics

Musste ich dann nicht die schwersten Strafen erwarten, wenn ich entschlossen war, dieses tabu zu brechen? Meine Angst half mir aber auch, vieles zu verstehen, unter anderem, daß Freud genau aus diesem Grund seine Erkenntnisse verraten hatte. Sollte ich nun seinen Spuren folgen und das mir Erkannte über die Häufigkeit der Kindermißhandlungen widerrufen, um nicht die Stützen der Gesellschaft zu provozieren, nicht anzugreifen und ausgestoßen zu werden? Durfte ich etwas gesehen haben, das so viele Menschen, die Freud weiterhin uneingeschränkt folgten, nicht sahen: seinen Selbstbetrug?

Ich kann mich erinnern, daß jedesmal unweigerlich körperliche Symptome eintraten, wenn ich mit mir verhandeln wollte und überlegte, ob ich nicht einen Kompromiss finden könnte, ob ich nicht nur einen Teil der Wahrheit publizieren wollte. Ich bekam Verdauungs- oder Schlafstörungen und fiel in depressive Verstimmungen. Als ich wusste, daß ich für mich keine Kompromisse mehr möglich sind, verschwanden diese Symptome.

© Heart Pics

Meiner Kritik an Freuds Vorgehen haben sich inzwischen viele angeschlossen und die schweren Folgen der Kindermißhandlungen werden auch von den meisten Fachleuten, zumindest theoretisch, zunehmend beachtet. Ich bin also nicht umgebracht worden und erlebte, daß meine Stimme sich durchgesetzt hat. Auch wenn es zuerst schockieren mag, weil die meisten Menschen auf die Liebe ihrer Eltern warten und sich diese Erwartungen nicht nehmen lassen wollen. Doch viele werden dieses Buch verstehen, sobald sie sich selbst verstehen wollen. Die Schockwirkung wird nachlassen, sobald sie merken, daß sie mit ihrem Wissen nicht allein sind und nicht länger den Gefahren ihrer Kindheit ausgesetzt.

Die „Liebe“ des ehemals misshandelten Kindes zu seinen Eltern ist keine Liebe. Sie ist eine mit Erwartungen, Illusionen und Verleugnungen belastete Bindung, die einen hohen Preis von allen Beteiligten fordert.

© Heart Pics

Der „Misserfolg sehr vieler Therapien“ lässt sich durch die Tatsache erklären, daß sich sehr viele Therapeuten selber in der Schlinge der traditionalen Moral befinden und ihre Klienten ebenfalls da hineinzuziehen versuchen, weil sie nichts anderes kennen.

Persönliche Anmerkung:

Auf eine bestimmte Art und Weise warten wir auch heute noch darauf, von unseren Eltern geliebt zu werden, so wie wir sind. In unseren Körperzellen ist die Ablehnung, die wir durch sie erfuhren, gespeichert. Unser Körper hat ein vollständiges Gedächtnis von dem, was wir in unserem Leben erlebten. Alles ist gespeichert, auch das, was wir so gerne verdrängten. Und der seelische Missbrauch nimmt dabei den Hauptpart ein.

© Heart Pics

Gefordert wird von allen, daß wir unsere Eltern für immer lieben und ihnen dankbar sind – auch gerne von den Therapeuten; trotz des Zwiespaltes und das löst zusätzliche Schuldgefühle in uns aus. Letztendlich kann das nur möglich werden, wenn wir auch unsere verdrängten Gefühle zulassen können. Die unbewußten Ängste vor der Mutter oder dem Vater können uns ein Leben lang begleiten, wenn sie nicht in der Gegenwart erlebt werden. Und dazu ist es notwendig, daß der Therapeut wirklich emphatisch ist statt das nur vorzuspielen.

Ein Buch, was mich sehr beeindruckte, welches aufräumt mit Märchenstunden, die uns allen erzählt und beigebracht wurden. Ich schätze die Bücher von Alice Miller, weil sie sich mit vielen meine Erfahrungen decken und ich immer wieder neue „Fallen, sprich Gedanken- bzw. Verhaltensmuster“ bei mir selbst erkenne und so nach und nach weitere „Baustellen“ loslassen kann.

Es ist alles andere als ein Wunder, daß „Menschen“ immer kränker werden. Unser Körper zeigt uns irgendwann unsere Verdrängungen – kompromisslos.

© Heart Pics

Ich schließe diese Buchempfehlung mit dem nachfolgenden und so wahren Zitat:

Manchmal tragen wir unsere Wahrheit tief in uns, trauen uns aber nicht, sie zu leben. Wir erkennen die Weisheit unserer Seele, verschweigen sie aber.”

„Geh’ du vor”, sagt die Seele zum Körper, “auf mich hört er nicht, vielleicht hört er auf dich”.

“Ich werde krank werden, dann wird er Zeit für dich haben”, sagt der Körper zur Seele.
(Ulrich Schaffer)

Herzlichst

Evelyn

Mentorin auf Zeit


Einen Kommentar schreiben