Die Freiheit, die ich einklage!
17. September 2012 von admin | 2 Kommentare
„Die Wahrheit macht Euch frei und die Lüge versklavt Euch. Das ergibt sich aus der Dialektik von Wahrheit und Lüge.“
Ich zitiere hier einen jungen Mann, mit dem ich gerne im Diskurs stehe. Freiheit ist in aller Munde, die Freiheit ist bedroht, die Freiheit muss sogar am Hindukusch verteidigt werden. „Freiheit statt Sozialismus“ sind die Antipoden, mit dem uns die bürgerlichen Parteien seit Dekaden Angst und Schrecken einzujagen suchen.
In einer zunehmend globalisierten Welt- und Wirtschaftsarchitektur findet der Freiheitsbegriff seine Konzentration in den Ansprüchen der Märkte und internationalen Finanzströme. Das ist die unerhörte und unhaltbare Reduktion der Freiheit auf rein ökonomische Aspekte.
Der Freiheitsbegriff ist heute pervertiert und hat nichts mehr mit dem universellen Streben der Menschen gemein, dem Streben nach Handlungsfreiheit, Willensfreiheit und individueller Selbstverwirklichung ohne äußere Zwänge.
Das Verständnis von Freiheit ist tief in den menschlichen Kulturen verwurzelt, es dürfte so alt sein, wie der vernunftbegabte Mensch. Dabei befindet sich dieser Begriff seit ehedem in einem beständigen Wandel, er umfasst politische, soziale, rechtliche und persönlichkeitsbezogene, individuelle Dimensionen.
Spätestens seit Immanuel Kant unterscheidet der philosophische Diskurs die „positive Freiheit“, also die Freiheit zu etwas und die „negative Freiheit“, die Freiheit von etwas. Ich will mich hier auf die positive Freiheit und ihre Bedeutung für die aktuelle politische Situation beschränken.
Ich will in einer Phase des kulturellen und auch politischen Niedergangs noch einmal darauf verweisen, dass Freiheit nicht das Privileg einer kleinen, privilegierten Oberschicht sein darf.
Freiheit muss ein unangefochtenes Grundrecht für jeden Bürger in unserer Gesellschaft bleiben! Der Freiheitsbegriff, der unserem heutigen Verständnis und unserer demokratischen Gesellschaftsordnung zugrunde liegt, ist in der Zeit der Aufklärung (frühes 17. bis spätes 18. Jahrhundert) geprägt worden.
Der politische Aspekt verlangt die Befreiung der Menschen aus der feudalistischen Herrschaftsstruktur, die Garantie von Grund- und Menschenrechten, die Trennung von Staat und Kirche und eine staatliche Gewaltenteilung.
Nach Immanuel Kant (1724 – 1804) ist Freiheit nur durch Vernunft möglich. Demnach kann nur derjenige frei sein, der kraft seiner Vernunft in der Lage ist, das Gute vom Bösen zu unterscheiden und dessen Handeln durch Ethik und Moral geleitet ist.
Kern seines „kategorischen Imperativs“ ist, dass jeder seinen Weg zur Glückseligkeit solange suchen kann, wie er andere in eben diesem Recht nicht einschränkt. Friedrich Hayek (1899 -1992) beschreibt Freiheit als einen Zustand, „in dem ein Mensch nicht dem willkürlichen Zwang durch den Willen eines anderen unterworfen wird.“
Aus den philosophischen Erwägungen lassen sich Forderungen für den politischen Freiheitsbegriff ableiten, den ich einklage. Für eine demokratische Gesellschaft sind garantierte Freiheiten wie Grund- und Menschenrechte unverzichtbar, zu denen die Meinungsfreiheit, die Freiheit der Weltanschauung und des Gewissens, die (politische) Handlungsfreiheit, die Koalitionsfreiheit, die Versammlungsfreiheit u.a. zählen.
Jedes Recht impliziert jedoch auch eine hohe Verantwortung und die Verpflichtung dieses Recht auch auszuüben und darüber hinaus zu schützen. Und gerade hier erkenne ich erschreckende Unterlassungen seitens der Politiker in unserem Lande.
Wenn Politiker heute (sogar schon öffentlich) darüber nachdenken,
- die Redefreiheit im Parlament einzuschränken,
- wenn sie bereit sind, über einen ESM-Vertrag die Haushaltsouveränität der Parlamente aufzugeben,
- wenn sie es zulassen, dass der Markt auf Kosten anderer „befreit“ wird,
- wenn sie Gesetze von Lobbyisten schreiben lassen…
dann kommen diese Politiker und Parlamentarier ihrer demokratischen und auch ethisch-moralischen Verpflichtung nicht mehr nach.
Und im gleichen Atemzug die eigene Freiheit soweit zu missbrauchen, um schadlos aus dem Parlament durch die Drehtür in die „freie Wirtschaft“ zu wechseln (und bei Gelegenheit auch wieder zurück) ist nicht die Freiheit, die die Aufklärung meint.
Ein solches Verhalten ist einfach nur schändlich und eines Parlamentariers unwürdig! Deshalb an alle die meinen, demokratische Rechte dem Müllhaufen der Geschichte opfern zu können:
„Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werde.“
(Immanuel Kant, Akademie-Ausgabe Kant Werke, Band IV, S. 421)
– Norbert Wiersbin –
Danke Dir, lieber Norbert, für diesen Beitrag. Ich wünsche mir, daß darüber von jedem von uns nachgedacht wird – und das eigene Handeln beeinflußt.
Herzlichst
Mentorin auf Zeit
1. Norbert Wiersbin
Kommentar vom 17. September 2012 um 11:40
Ich bedanke mich für die Veröffentlichung, Evelyn Worbs…wie immer von Dir sehr ansprechend layoutet!
2. Evelyn
Kommentar vom 17. September 2012 um 11:41
Es ist mir ein Vergnügen, lieber Norbert!