Der Fall Kevin oder Wie wirklich ist die Wirklichkeit?

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Diese Frage stellte sich bereits vor über 30 Jahren Paul Watzlawick, Autor des gleichnamigen Buches. Doch wer las dieses Buch? Ich nehme an, wenige, dafür umso mehr seine Ausführungen in „Anleitung zum Unglücklichsein“? Wenn dem so sein sollte, was lernten wir Menschen daraus?

In den aktuellen Talkshows (von den öffentlichen bis hin zu den privaten Sendern), in den Zeitungen, einfach in den gesamten Medien wird über den Fall Kevin heftig und aufgeregt diskutiert, obwohl es solche Dramen seit Beginn der Menschheit gibt. Der Fall stellt lediglich die Spitze eines Eisberges dar.

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Mit großem Selbstbewusstsein werden von „Gutmenschen“ Vorwürfe erhoben und Fragen gestellt, wieso so etwas in unserem Land überhaupt geschehen kann, wer bzw. was hat versagt? Weshalb versagten die Menschen in den Behörden/Institutionen? Wer ist/wer hat daran Schuld? Welche Bestrafung gibt es? Welche Sanktionen folgen? Es wird schnell mehr Staat gefordert, mehr Vorschriften, mehr Eingrenzungen, mehr Abhängigkeiten, mehr Kontrolle, mehr Bestrafungen….

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Mir persönlich fehlen bislang Fragen wie:

Wozu ist dieser „Fall“ für uns gut? Was dürfen wir daraus lernen?

Welche unserer bisherigen Sichtweisen/Einstellungen dürfen wir überdenken? Welcher meiner bisherigen Sichtweisen/Einstellungen darf ich überdenken?

Denn  bereits Albert Einstein sagte sehr weise:

Die großen Probleme, vor denen wir stehen, lassen sich nicht vom selben Niveau des Denkens aus lösen, auf dem wir standen, als wir sie Schufen!

Fangen wir doch einmal an zu hinterfragen:

Was heißt eigentlich „Selbst – bewusst – sein“? Sich seiner selbst bewusst zu sein! Doch welche Art von Be – deutung steckt darin?

Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass der bewusste Verstand nur etwa 10 – 15 % der gesamten geistigen Kapazität von uns Menschen ausmacht. So werden wir meistens von der Masse gesteuert, die sich unter ihrer Oberfläche befindet, also von ca. 85 – 90 %! Es ist wie bei einem Eisberg – nur der kleine Teil von ihm ist an der Wasseroberfläche zu sehen, der Rest der Fläche liegt unterhalb der Wasseroberfläche!

Letztendlich bedeutet dies, dass wir nur mit einem kleinen Teil unseres Bewusstseins aktiv handeln, der überwiegende Teil unseres Unterbewusstseins uns jedoch steuert, uns handeln – oder nicht handeln – lässt. Es ist unsere somit Aufgabe, Unbewusstes Bewusst zu machen. Es gilt Verantwortung für unser eigenes Handeln zu übernehmen.

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Eigenverantwortlich zu sein! Doch Eigenverantwortung zu übernehmen heißt auch zu sagen: die Situation, die gerade ist, habe ich gewollt – ob bewusst oder unbewußt sei für den Moment dahingestellt. An meiner jeweiligen (Lebens)Situation kann ich ablesen, was mein jeweiliges Ziel ist bzw. war – und es gibt immer eine Wahl – :

  • gesund oder krank zu sein
  • Arbeit oder keine Arbeit zu haben
  • in der Fülle oder im Mangel zu leben
  • in Gemeinschaft oder Allein zu leben
  • Kinder zu haben oder Kinderlos zu sein
  • Recht oder Unrecht zu haben
  • Erfolgreich oder  Erfolglos zu sein ….

Diese Liste ließe sich unendlich fortsetzen, ein Jeder kann dazu beitragen. Doch nehmen wir uns denn wirklich „bewusst“ wahr?

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Dazu ein Beispiel: Wir haben Kopfschmerzen: eine Pille wird genommen und damit hat es sich in der Regel. Doch wer schaut nach innen um herauszufinden, was wirklich Kopfschmerzen bereitet, welche Gefühle verletzt sind bzw. welche Bedürfnisse unerfüllt blieben? Gerade die Ereignisse in unserem Leben, die unseren Gefühlshaushalt am stärksten in Aufruhr bringen, unsere Aufmerksamkeit auf die sehr empfindlichen, verletzlichen und normalerweise gepanzerten Bereiche unseres Seins lenken, bedürfen am meisten der Heilung. So bringt die Natur – und wir Menschen sind ein Teil von ihr – unbewußte Informationen auf die bewusste Ebene, so dass wir sie besser verarbeiten können. Die Natur gibt uns Gelegenheit zu Wachstum und Reife, indem sie unsere empfindlichsten Punkte durch andere Menschen oder bestimmte Situationen ansprechen lässt.

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Wozu kann ich also den Fall Kevin „für mich“ nutzen, welche unverarbeiteten Gefühle werden bei mir angesprochen, wo liegt mein (Selbst)„Mord“ bzw. wo meine (Selbst)“Zerstückelung“, wo „bin ich bereits eingefroren“? Weshalb darf ich also Kevin und seinem Vater dankbar sein, dass diese beiden Menschen diesen Weg gingen, um mich so zum Lernen und Hinsehen zu bewegen, so dass deren Entscheidung eine Heilung für mich und andere bedeuten kann?

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Was wissen wir wirklich über Kevin und seinem Vater? Wir vermeinen es zu wissen. Mit welcher Brille schaute der Vater auf sein Leben und auf das seines Sohnes? Wo liegen die Wurzeln für diese Handlung bzw. für diese Entscheidung?

Und mit welcher Brille sehen wir auf die Beiden: mit der Brille „Mitgefühl und Liebe und Verständnis“ oder mit der Brille „Mitleid, Angst, Unverständnis, Kritik, Besserwisserei, Zorn, Wut und Verzweiflung“? Letztendlich schauen wir mit der Brille, die wir gewohnt sind – und mit der wir auch täglich auf unser (inneres) Kind blicken.

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Noch ein Beispiel gefällig? Was wurde Jürgen Klinsmann beschimpft und welche Häme wurde über ihn ausgeschüttet aufgrund seiner  Art die Mannschaft zu motivieren bzw. zu trainieren. Und was war das Ergebnis? Zum Schluss wollte ihn keiner gehen lassen. Alle waren des Lobes voll …Er ging konstant seinen Weg, unbeirrt – obwohl bei ihm vieles anders war. Und gerade dieser Mut von ihm, auf neues Wissen zurückzugreifen, diese Handlungsweise brachte eine Veränderung. Ganz Deutschland im Jubel ob der Ergebnisse. Und trotz der Rufe zu bleiben ging er, wieder ganz auf seine Eigenverantwortung ausgerichtet, seinem Bedürfnis und Gefühl Rechnung tragend.  Er wählte den Weg, der für ihn der Beste war, wo er gut für sich sorgte. Ein kluger Mann. Und er machte den Weg frei für neue Möglichkeiten …

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Also, mit welcher Brille schauen wir auf die Dinge? Auch bei dem v.g. Beispiel ist die Psychologie nur ein Baustein – wie so vieles in unserem Leben. Können wir endlich damit relaxter umgehen? Können wir uns eingestehen: ja, auch ich habe Leid erfahren, welches ich noch unverarbeitet ließ?

Psychologische Unterstützung sollte so selbstverständlich sein wie einen Handwerker zu rufen, wenn z.B. die Heizung repariert werden muß. Dann kann Heilung passieren – auf allen Ebenen. Dann kommen wir auch mehr in die Eigenverantwortung – und ins Verstehen… und damit ins neue Handeln. Aus dem Bewusstsein heraus statt aus dem Unterbewusstsein.

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Fernsehformate wie die „Super Nanny“ (RTL) zeigen deutlich auf, das wir als Erwachsene – und damit auch unsere Kinder – Defizite haben, dass wir Lernen dürfen – was ist daran so Angst machend? Sehr humorvoll dagegen der Fernsehzweiteiler: Helen, Fred und Ted (ARD). Zu sehen war, wie ein Jeder den „Splitter im Auge des anderen, jedoch nicht den dicken Balken im eigenen Auge“ sah. Würden wir uns alle aufmachen, unseren „eigenen Splitter“ zu erkennen und in die Auseinandersetzung damit gehen, käme Frieden in jeden Einzelnen von uns – und solche Vorkommnisse wie der „Fall Kevin“ gehören auf Sicht der Vergangenheit an. Dies gilt für uns alle.

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Wenn ich die Verantwortung für meine Krankheit übernehme, dann kann ich auch die Verantwortung für meine Gesundheit übernehmen – und der Preis, den ich – immer, egal in welcher Hinsicht – bezahle, wird geringer. Dann wäre ein Symptombehandlung unnötig – weil eine Ursachenklärung erfolgt. Und wir haben heute – neben der medizinischen Ausrichtung – so großartige, natürliche Heilungsverfahren, die noch vor Jahren in dieser Form undenkbar gewesen wären. Die Krankenkassen übernehmen die Kosten für die klassischen (wissenschaftlichen?!) Verfahren – doch was hält sie  zurück, sich den natürlichen Heilverfahren zu öffnen, die letztendlich zu einer Kostensenkung führen?

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Vielleicht sehen wir uns gerne im Fernsehen Krimis an, wie Tatort und ähnliche. Doch lesen wir beispielsweise Krimis wie

  • „Familiengeheimnisse“ von John Bradshaw
  • „Ohne Wurzeln keine Flügel“ von Ulsamer
  • „Was die Seele krank macht und was sie heilt“ von Thomas Schäfer
  • „Die heilende Kraft des Lichts“ von Dr. Jacob Liberman
  • „Amalgam – Risiko der Menschheit“ von Dr. J. Mutter?

Dies sind nur einige wenige von erstklassigen Büchern, doch finden sie in den Medien wenig Beachtung. Hohe Quoten mit schlechten Nachrichten sind wichtiger als positive Informationen mit (noch) weniger Quote? Leider, denn sonst würden Filme wie „Frühling, Sommer, Herbst und Winter, Frühling“ nicht ins Nachtprogramm versteckt werden. Weshalb hat der Kinofilm „The Bleep“ so großen Erfolg? Er läuft und läuft und läuft …. und viele Menschen werden nachdenklich, sind begeistert. Sie fangen an zu hinterfragen – ein  guter Anfang.

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Schon in der Bibel steht: „Liebe Deinen Nächsten wie  Dich selbst“. Also nicht mehr und nicht weniger – doch wie groß ist unsere Liebe zu uns selbst?  Wie groß darf sie sein?  Auch hier dürfen wir unser  Bewusstsein erweitern!

Dieser Artikel wurde von mir im Oktober 2006 mit meiner „Brille“ geschrieben. Mit welcher „Brille“ liest DU ihn? Und dieses Thema ist nachwievor aktuell, siehe Julian …

Herzlichst

Evelyn

– Mentorin auf Zeit –


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