Feldversuch Jobcenter?

© Andrea Marchetti

Schon unmittelbar nach dem (vorläufigen) Ende der faschistischen Diktatur in Deutschland stellte sich die Wissenschaft die Frage, was den einzelnen Menschen dazu bewegen könnte, dem staatlichen Verbrechen willfährig zu dienen.

Um eine vergleichbare Frage kommt tagesaktuell der kritische Beobachter des Hartz-Systems nicht herum.

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Im Mittelpunkt der Untersuchung stand die Frage, inwieweit der Einzelne Anweisungen einer Autorität folgt, selbst dann, wenn sie gegen sein Gewissen, gegen Ethik und Moral oder anerkanntes Recht verstoßen.

Die Ergebnisse sind erschreckend, wie sich in weiteren Versuchen zeigte völlig unabhängig vom Geschlecht, gesellschaftlicher Stellung  oder kulturellem Hintergrund der Probanden.

Anders gesagt: Alle Menschen ticken in dieser Frage gleich, wir müssen mit Schrecken eine universelle Unzulänglichkeit der Gattung Mensch konstatieren.

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„Die rechtlichen und philosophischen Aspekte von Gehorsam sind von enormer Bedeutung. Starre Autorität stand gegen die stärksten moralischen Grundsätze der Teilnehmer, andere Menschen nicht zu verletzen, und obwohl den Testpersonen die Schmerzensschreie der Opfer in den Ohren klingelten, gewann in der Mehrzahl der Fälle die Autorität. Die extreme Bereitschaft von erwachsenen Menschen, einer Autorität fast beliebig weit zu folgen, ist das Hauptergebnis der Studie, und eine Tatsache, die dringendster Erklärung bedarf.“

(Stanley Milgram: The Perils of Obedience, Harper´s Magazine, 1974, zitiert nach: http://de.wikipedia.org/wiki/Milgram-Experiment)

Das Experiment erfuhr heftige Kritik aus der  Wissenschaftsgemeinde, nicht etwa wegen des Untersuchungsgegenstands oder der Ergebnisse.

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Milgram wurde vielmehr vorgehalten, „ein „traumatisierendes“ Experiment vorgenommen zu haben, das „potenziell schädlich“ für die Versuchspersonen sei.“ (ebenda)

Später wurde aus Langzeitstudien „von Nervenzusammenbrüchen und posttraumatischen Belastungsstörungen (berichtet) und einzelne Teilnehmer hatten noch vierzig Jahre später, als sie nochmals untersucht wurden, gesagt, sie seien diesen Schock, dieses Trauma nie mehr losgeworden, also ein Trauma, Täter gewesen zu sein.“ (ebenda)

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So stellt sich tagesaktuell die Frage nach den sozialpsychologischen Ausgangspunkten und nach den Langzeitwirkungen der Umsetzung von Hartz IV für die Mitarbeiter in den Jobcentern sowie für die Leistungsberechtigten, die fälschlicherweise gerne als „Kunden“ bezeichnet werden.

Während die Betroffenen in ihren elementaren Grund- und Menschenrechten verletzt werden, bringen der gesetzliche Rahmen, die politische Intention und eine von der allgemeinen Ethik abweichende Kultur die Mitarbeiter der Jobcenter in bedrohliche  seelisch-emotionale Konflikte.

Ich verweise nochmals auf Milgram’s Kritiker:

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Ein traumatisierendes Experiment, das potenziell schädlich für die Versuchspersonen ist.

Ein sachkundiger Kollege formulierte es neulich in einem Gespräch so:

  • „Das alles ist Mobbing in Reinkultur.
  • Der tägliche Zwang , geltende Grund- und Menschenrechte zu verletzen,
  • die extreme Leistungskontrolle,
  • die schlechte Ausbildung für die Aufgabe,
  • die ständige Überforderung,
  • das alles macht krank und verletzt die Fürsorgepflichten jeden Arbeitgebers“.

Dies alles zu verhindern sind originäre Aufgaben von Betriebs- und Personalräten.

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Die hier beschriebenen Aspekte bieten genügend Ansatzpunkte, um im Sinne der Mitbestimmung  die dringend notwendigen Korrekturen des Systems zu initiieren.

Es ist sogar die Pflicht der Mitarbeitervertretungen, für die Gesundheit ihrer Kolleginnen und Kollegen einzuschreiten und derartig  schändliche Gefährdungen zu unterbinden.
(Norbert Wiersbin)

Danke Dir einmal mehr, lieber Norbert, für Deinen Beitrag. Er geht uns alle an – ohne Ausnahme! Und wer heute – anscheinend – nicht davon betroffen ist, ist es Morgen. So schnell kann es gehen!

Herzlichst

Evelyn

Mentorin auf Zeit



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