Eigeninitiative

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Ich liebe gute Häuser, vor allem Altbauten. Sie haben oftmals einen ganz besonderen Charme, insbesondere dann, wenn Stuck an den Fassaden zu sehen ist, der den Häusern einen besonderen Charakter gibt.

Wenn ich hier durch Berlin fahre, finde ich wunderschöne Häuser, ganz besonders im ehemaligen Ostteil der Stadt. Viele sind restauriert und herrlich hergerichtet und es gibt auch viele, die langsam und stetig weiter herunter kommen, wo der Eigentümer es unterläßt, etwas für die Sanierung zu tun, aus welchen Gründen heraus auch immer.

Mitten in Moabit/Tiergarten, einem Bezirk, der eine sehr urbane Struktur aufweist, durfte ich letztens etwas ganz Überraschendes erleben.

© Andrea Marchetti

Ein Mieter hatte genug von der mehr als verschmierten und bekritzelten Hauseingangstür und den Hof- und Flurwänden. Graffiti sieht halt anders aus. 😉  Er besorgte sich auf eigene Kosten Lackfarbe und strich mit dieser die Haustür sorgfältig und sehr fachgerecht an. Die Umgebung staunte.

Nochmehr jedoch freuten sich die Mieter des Hauses, denn

nach und nach wurde die Hofeinfahrt neu in den bisherigen Tönen von abgestimmten Grautönen gestrichen, der erste Innenhof – und gerade im Bereich der Mülltonnen sah es anschließend aus, als wenn nichts gewesen sei. Auch die eine oder andere Tür kam nach und nach hinzu, bis alle fertig waren. Wunderschön in einem frischen Weinrot gestrichen. Als der Hof und die Türen fertig waren, kam das Treppenhaus heran. Hier musste erst noch der Putz ausgebessert werden, bevor die neue Farbe auch aufgetragen wurde.

© Andrea Marchetti

Wer die Kosten dafür trug? Der Mieter! Keiner der Mitbewohner des Hauses beteiligte sich weder an den Kosten noch an der Arbeit selbst. Doch das war dem Mann unwichtig. Wichtig war ihm, daß der Weg zu seinem Heim einfach sauber und schön war. Und dafür setzte er sich ein, das setzte er um. Das machte ihm einfach Freude.

Er strahlte, als ich ihm zu seinem Einsatz gratulierte und mich bedankte für sein Tun. Wir hatten noch ein interessantes Gespräch, bevor wir uns trennten. Und es war schön zu hören, wie er bislang durch seine Welt gezogen ist, in welchen Ländern er bereits tätig war – und auch sein beruflicher Werdegang faszinierte mich.

Wie oft beklagen wir uns darüber, daß etwas von anderen nicht getan wird, daß unseren Bedürfnissen nicht Rechnung getragen wird. Doch was unternehmen wir selbst – wovor haben wir Angst? Hier wurde für mich beeindruckend Eigeninitiative und Eigenverantwortung gezeigt. Absolut nachahmenswert. Dieser Mann, berufstätig als Karosserielackierer für Oldtimer, tut etwas für sich und für die Gemeinschaft.

Und er ist Ausländer in unserem Land, Serbe…

Herzlichst

Evelyn

– Mentorin auf Zeit –


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