Verantwortung hat viele Gesichter

© Andrea Marchetti

Das beschreibt sehr schön folgende Geschichte:

Ein Wanderer saß einst unter einem Baum. Viele Menschen gingen an ihm vorbei, ohne ihn zu beachten. Nur eine Frau blieb bei ihm stehen und reichte ihn den Krug mit Wasser, mit der Aufforderung er möge doch daraus trinken. Der Alte lächelte und trank erfreut das frische Wasser. „Du bist sehr aufmerksam, das ist sehr selten heut zu Tage“, sagte er zur Frau, „und außerdem bist du bist verantwortungsvoll.“ „Was ist das für ein Wort, ich habe es oft gehört, kenne aber nicht seine Bedeutung“ erwiderte sie. „Oh, die Verantwortung, ein sehr bedeutsames Wort, meine Liebe. Viele nehmen es in den Mund, doch die wenigsten wollen wissen, was es damit auf sich hat“ lachte der Weise.

„Dann erkläre es mir, ich will es genau wissen“, bat ihn die Frau. „Weißt du, es ist leicht es dir zu erklären und ich glaube, dass du Bedeutung verstehen wirst. Ich denke du hast das nötige Bewusstsein dazu.“

Erwartungsvoll setzte sie sich neben ihn ins weiche Gras. Erfreut blickte er sie an und fuhr fort:

„Sieh mal, wenn du heute deinen Tag planst, dann weißt du eigentlich, was du zu tun hast, nicht wahr? Du erledigst dies und jenes, du entscheidest dies und das, so und so zu machen. So wie du es gewohnt bist. Hast du einmal darüber nachgedacht, was es für Folgen hat, dein Tun meine ich? Wenn du etwas heute so machst, was ist dann das wahrscheinliche Resultat deiner Handlung, das Endergebnis?“

Die Frau blickte ihn neugierig an und dachte nach. „So richtig denke ich nicht darüber nach, ich tue etwas aus Gewohnheit, weil ich es kenne oder weil ich es tun muss. Aber nicht bei allem weiß ich schon vorher das Resultat.“

„Darauf kommt es an. Wenn du dich heute entscheidest etwas zu tun, dann denkst du vorher nach. Hier beginnt die Verantwortung. Denn du musst dir bewusst sein, dass dein Tun ja etwas zur Folge hat, nicht wahr? Und dieses soll ja etwas Gutes sein, für dich und die anderen, verstehst du?“

„Ja natürlich,“ rief sie aus, „ich habe das schon manchmal gemacht. Wenn ich überlegte, was herauskommt, nachdem ich etwas tue, dann war ich mit dem Resultat auch nicht immer glücklich. Weil oft etwas den anderen schadet, oder ihn irgendwie Schmerzen zufügt. Aber dann tat ich es doch, weil es ja alle so machen.“

„Siehst du, du bist dir schon einmal bewusst, was dein Handeln für Folgen hat“ freute sich der weise Mann, „Verantwortung heißt nichts anderes, als dass du dir klar darüber wirst, ob du jetzt mit deinem Handeln etwas Gutes oder etwas Negatives erschaffst. Dasselbe gilt auch für dich.

Wenn du die Verantwortung für dich übernimmst, dann beginnst du darüber nach zu denken, wo verletzte ich mich, mit meinem Tun. Wo verletzte ich mich mit meinen Gedanken. Du kannst dir nämlich auch durch negatives Denken selber schaden, wie auch den anderen. Du musst wissen, dass Gedanken Energie sind, die dann Form annimmt, in deinem Leben. Viele negative Gedanken bewirken die unangenehmen Dinge und Situationen in deinem Leben. Darum ist es wichtig, dass du auch lernst, deine Gedanken zu beobachten. So erkennst du, wann du wieder einmal im Strom der Negativität bist, und kannst sie stoppen indem du mit positiven Gedanken gegensteuerst.“

„Aber wenn ich schon mit meinem Denken mein Leben erschaffe, dann mache ich das durch meine Taten erst recht“ erschrak sich die Frau, „ Ich meine, wenn jemand dadurch zu Schaden kommt oder ich ihn verletzte, dann ist das ja auch Energie, die ich erschaffe, dann erlebe ich dies ja auch, wie der andere.“ „ Genau so ist es,“ erklärte der Weise, „das was du aussendest in Form von Gedanken und deinem Tun kommt ebenso zu dir zurück, das Positive wie das Negative. Das gilt übrigens auch für deine Gefühle, denn diese haben eine sehr starke Energie, sie hat die stärkste Manifestationskraft. Mittels deiner Gedanken über etwas oder jemand erschaffst du dir erst die Gefühle, meist unbewusst.

Darum sei dir deiner Gedanken bewusst. Dann verstehst du auch deine Gefühle, woher sie kommen. Selbst wenn dir jemand etwas Schlechtes tut, dann achte darauf, nicht gleich zu reagieren, weder mit Gedanken noch mit Worten. Wisse, dass andere sich meist nicht bewusst sind, was sie überhaupt anstellen. Wenn du in solchen Situationen gelassen bleibst, nicht in negatives Denken und Handeln fällst, dann bist du dir der Verantwortung dir und den anderen gegenüber bewusst geworden.“

„Aber ich kann doch nicht zulassen, dass ein anderer mich ungerecht behandelt oder beschimpft oder noch Schlimmeres macht “ klagte sie.

„Aber nein, Verantwortung heisst auch, dass du ein klares Nein sagst, wenn du etwas nicht willst. Ein Nein heisst auch, wenn dir etwas zu viel ist, wenn du benutzt wirst, wenn dich andere nicht in deinem Sein respektieren, dann sage Nein zu ihnen und gehe deinen Weg.  Aber tue dies ohne Groll und Zorn, sondern tue es aus Liebe zu dir und aus Liebe zu den anderen. Das bedeutet, dass du verstehst was dir gut tut im Umgang mit den anderen.

Es bedeutet auch, dass du verstehst, dass du den anderen nicht in seiner Entwicklung hilfst, wenn du zu allem ja sagst. Denn beiden ist damit nicht geholfen. Das meine ich, wenn ich von Verantwortung spreche. Du hast die Verantwortung für dich und somit handelst du verantwortungsvoll auch gegenüber den anderen. Verstehst du was ich damit sagen will?“

Da lachte die Frau und antwortete verschmitzt „Oh ja Meister, wenn heute Abend mein Mann nach Hause kommt, dann werde ich mich nicht damit zufrieden geben, dass er nach dem Essen einfach auf die Liege fällt und Zeitung liest. Sondern ich werde darauf bestehen dass wir einen Spaziergang machen und uns dabei unterhalten. Dabei werde ich ihn das mit der Verantwortung so einfach wie möglich erklären. Damit ist uns beiden etwas Gutes getan.“ lachte sie freudig.

Der alte Meister grinste über das ganze Gesicht und meinte „Da habe ich ja eine überaus kluge Schülerin gefunden. Du lernst sehr schnell,  ja wenn du so weitermachst, dann bist du auch bald eine Meisterin.“

Beide lachten und unterhielten sich noch lange über die Verantwortung dort unter dem wunderschönen alten Baum.  Und der hatte seine Freude daran, was er da zu hören bekam.
– Autor R. Marohn –

Wenn wir so unser Leben leben, dann gibt es keine Opfer und keine Täter mehr. Denn dann leben wir unsere Eigenverantwortung und hören auf, uns selbst und andere zu missbrauchen. Du meinst, daß das ein Ding der Unmöglichkeit wäre oder nur einigen Wenigen vorbehalten? Meine klare Antwort: Nein, DAS können wir alle, ohne Ausnahme. Es bedarf dazu des Mutes, sich seiner selbst anzunehmen. Die Schattenseiten in uns näher zu beleuchten und diese aufzulösen.

Herzlichst

Evelyn

– Mentorin auf Zeit –


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