Enttäuschungen machen das Leben, machen uns erfahrbar

© Andrea Marchetti

Enttäuschung

Ent-Täuschung heißt zunächst wörtlich, dass wir aus dem Gefühlszustand einer Täuschung herausgehen (ent-= weg von etwas). Einer Ent-Täuschung liegt also eine Täuschung zu Grunde.

Wir haben uns und/oder eine andere Person getäuscht und/oder eine andere Person hat uns getäuscht. Zugleich ist in dem Begriff Täuschung der Begriff Tausch enthalten. Das heißt, die Täuschung besteht darin, daß ein Tausch, ein Tauschhandel mit uns selbst oder mit anderen Personen beabsichtigt war. Doch irgendwie hat dieser Handel nicht funktioniert. So habe ich unter Umständen etwas unter einer unausgesprochenen Bedingung gegeben und bin nun enttäuscht, daß das Erwartete nicht eintrifft.

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Doch vielleicht weiß der, von dem ich „es“ erwartete, gar nicht, was ich erwarte. Oder vielleicht weiß ich selbst nicht, was ich erwartet habe. Vielleicht wurde auch etwas vertauscht, also verwechselt. Tausch und Täuschung erfolgen nicht offen. Sie spielen sich entweder unbewusst ab oder auf verdeckter Ebene, wo auch vertuscht und getuschelt wird. Die Enttäuschung ist im Grunde genommen eine Ent-Täuschung, eine Enttarnung.

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In der Enttäuschung sind wir zutiefst geknickt. Es ist also eine Null-Stellung wie der Reset-Knopf am Computer. Wir haben die Chance, aus dem Erwartungs-Enttäuschungs-Zyklus auszusteigen und von vorne zu beginnen. Oft aber wird Enttäuschung nicht als Chance des Neubeginns angenommen, sondern als Vorwurf gegen Menschen genutzt, die wir für unsere Enttäuschung verantwortlich machen. Dabei sagen wir ganz deutlich: Ich habe mich getäuscht. Es gibt also keinen Grund, auf einen anderen Menschen sauer zu sein. Schließlich haben wir uns selbst getäuscht.

Aus: Du bist was Du sagst.

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Ist doch erleichternd, oder? Wir hören auf, uns selbst etwas vorzumachen – und damit entlasten wir auch jeden anderen. Wir geben, weil wir geben wollen – ohne eine bestimmte Gegenleistung zu erwarten. So ist jede „Ent-täuschung“ ein Hinweis darauf, daß wir etwas für unser Geben „haben“ wollten.  Jede Ent-täuschung ist somit ein Geschenk an uns selbst.

Herzlichst

Evelyn

Mentorin auf Zeit


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