Gewalt und Gewaltprävention (Teil 1/2)
15. November 2010 von Thomas | kein Kommentar
Diese Themen werden im Internet und auch in den Medien eifrig diskutiert. Meist werden im Bereich „Ursachen von Gewalt“ die Hintergründe der Täter beleuchtet:
- Migrationshintergrund,
- Frustration,
- kaputtes Elternhaus,
- Rechtsextremismus,
- Werteverfall etc.
Alles Hintergründe, auf die ich als Einzelperson nur schwerlich einen Einfluss habe. Man bleibt als Einzelperson handlungsunfähig. Vertraut auf den Staat, Polizei, Sicherheitskameras und auf die Zivilcourage (der anderen).
Zum Thema Selbstverteidigung haben viele Menschen Bilder im Kopf, die sie aus dem Fernsehen kennen: Der edle Kämpfer, der ohne größere Probleme eine Gruppe von Angreifern cool aufmischt. Sei es mit eleganten Tritten oder mit kunstvollen Hebelgriffen, mit denen die Angreifer spektakulär zu Boden gehen und um Gnade winseln. Aber auch der coole überlegene Held, der seinen Angreifer verbal auseinander nimmt und der dann kleinlaut abzieht.
Die Wirklichkeit sieht leider anders aus. Selbstverteidigung ist nicht schön, elegant, kunstvoll und cool. Sie ist effektiv, sie ist emotional (denn man hat Angst oder verspürt Wut) und man hinterlässt Gegner, die verletzt sind, gebrochene Nasen, Kiefer, Rippen ausgerenkte Gelenke oder gar schlimmer. Und man wird durchaus von der Gesellschaft in die Rolle des Aggressors gesteckt. Genau diese Sorge hemmt viele Leute, sich wirklich zur Wehr zu setzen.
In meinem Training unterscheide ich verschiedene Arten von Gewalt bzw. Kämpfen:
- Situationen,
- die sich anbahnen Situationen,
- die dynamisch sind.
Grundsätzlich gehen wir in meinem Training davon aus, dass der Gegner bewaffnet ist (z.B. Messer, egal ob sichtbar oder nicht), er mir körperlich überlegen ist, er ein geübter und willentlich starker Gegner ist, dass er Freunde dabei hat. Dies führt zu vielen taktischen Überlegungen bei Auswahl und Ausführung der Kampftechniken bzw. Prinzipien, wodurch sich das Training von Kampfsport-Training unterscheidet. Ferner mahnt es zur Vorsicht und dazu, die Situation so schnell wie möglich zu klären und die Flucht zu ergreifen. Generell wird nicht defensiv trainiert, sondern stets offensiv. Es wird solange deeskalierend gehandelt, bis der Angriff unmittelbar bevor steht. Dann wird der Verteidiger angreifen.
Bei Situationen, die dynamisch sind, habe ich nur wenig Zeit, um zu Reagieren oder um mich darauf vorzubereiten. Dies wären z.B. Überfall-Szenarien, die aus dem Blauen heraus zu entstehen scheinen. Hier sind schnelle Reflexe wichtig.
Situationen, die sich anbahnen sind für mich Situationen, die wohl für die meisten Leute was mit Gewalt im eigentlichen Sinne zu tun haben. Ein Gegner baut sich vor mir auf, beschimpft mich, fordert mich heraus. Und dann „knallt“ es.
Hier kann der Verteidiger noch Vieles tun, wenn er klug und besonnen reagiert. Wenn er versteht, wie der Angreifer „tickt“ und er diesem einen Ausweg aus der Situation bietet, ohne das seine Ehre oder sein Ansehen verletzt wird. Meiner Meinung nach liegen da die größten Fehler, wenn die Situation dann doch eskaliert. Viele Deutsche können mit ethischen Begriffen wie Ehre und Respekt nichts mehr anfangen, versuchen den Spieß umzudrehen und dem Angreifer bleibt dann nur noch übrig, den begonnenen Angriff auch wirklich durchzuziehen.
Allerdings gibt es leider auch Situationen, in denen man keine Einflussmöglichkeit gibt. Das berühmte „zur falschen Zeit am falschen Ort“. Man wird Opfer einer Bande von Schlägern. Dabei ist Alter, Statur und Auftreten manchmal völlig egal. Lässt sich die Situation nicht deeskalieren, gebe ich allgemein den Rat, dem Angreifer unmittelbar vor seinem Angriff, mit dem eigenen Angriff die Initiative zu behalten.
In beiden Fällen habe ich jedoch durchaus die Möglichkeit, den bevorstehenden Angriff vorher zu sehen. Es geht darum, seine Umgebung bewusst wahrzunehmen, seinem 6. Sinn zu vertrauen und sich entsprechend zu verhalten. Dadurch kann ich die Szenerie rechtzeitig verlassen, mich vorbereiten oder steuernd auf die Situation einwirken. Hier spielen auch Faktoren wie Körperhaltung, Stimme, Mimik, Kleidung und auch der Umgang mit Waffen eine Rolle. Diese sind „Equalizer“. Besonders bei Frauen werden hier Defizite an Kraft ausgeglichen.