ADS/ADHS oder einfach nur verhaltensoriginell?

© Evelyn Worbs

„Lieber Gott, gewähre mir die Geduld die mir so sehr fehlt… und zwar sofort!“

Dieses Zitat stammt von David Leonhardt. Und ich hab den Eindruck, daß damit einher geht, daß immer häufiger Kinder mit der Diagnose ADS/ADHS belegt werden – und damit stigmatisiert. Einfach weil den Erwachsenen die Geduld fehlt, die es im Zusammenhang mit Kindern zu bewahren gilt?

Ich fand eine Reportage, die mich einmal mehr sprachlos machte;  vielleicht wurde sie deshalb vom Netz genommen, weil es anderen genauso erging?

Brave Kinder auf Rezept

BBC-Reporter Louis Theroux besucht die „Western-Psych“-Klinik in Pittsburgh.

Dort werden verhaltensauffällige Kinder mit psychoaktiven Medikamenten gegen die Symptome psychischer Krankheiten wie dem Asperger-Syndroms, ADS oder Zwangsstörungen behandelt. Louis Theroux zieht für einige Tage bei der Familie des zehnjährigen Hugh ein. Bei ihm wurden gleich mehrere psychische Störungen diagnostiziert, unter anderem ein Hang zum Suizid.

Mit der nötigen Distanz und unvoreingenommenem Interesse betrachtet Louis Theroux die Fälle. Seine Beobachtungen münden in eine Frage: Behandeln wir heute mit starken Psychopharmaka Verhaltensweisen, die früher schlicht als typisch kindlich betrachtet worden wären? Es waren insgesamt 4 Teile – und mir kam das kalte Grausen.

Da bekommt ein Kind Medikamente ohne Ende, selbst der Hund wird schon mit Beruhigungsmitteln vollgepumpt, weil das Hecheln bei der Begrüßung unnormal war – und sein häufiger Blasendrang. Sorry, da kann ich nur noch mit dem Kopf schütteln! Kinder als funktionierende Roboter? Dürfen Kinder einfach noch Kind sein oder haben sie lediglich zu funktionieren? Wem sind sie mit ihrem Sein im Wege? Sich selbst oder den Erwachsenen?

© Evelyn Worbs

Nach meinem Wissen gibt es bis heute keine spezifischen ADS/ADHS-Teste. Ungeduld spielt eine große Rolle, zumeist bei den Erwachsenen. Und Kinder mit ihrer Verhaltensoriginalität als verhaltensauffällig zu bezeichnen, scheint sich mir immer mehr als ein Label zu zeigen, das von ungeduldigen Erwachsenen kreiert wird.

Wurde z.B. ausgeschlossen, ob

  • ein signifikanter Schlafmangel und/oder Bewegungsmangel vorliegt?
  • Seh- (z.B. Winkelfehlsichtigkeit) und/oder Hörstörungen vorliegen?
  • eine Vernachlässigung durch die Eltern etc. und/oder Missbrauch vorliegt?
  • ein Medikamenten- oder Drogenmissbrauch vorliegt?
  • eine Schilddrüsenüber- oder -unterfunktion besteht?
  • Nahrungsmittelunverträglichkeiten bestehen?
  • ein großer Konsum von Zucker gegeben ist?
  • eine Glukosestoffwechselstörung besteht?
  • eine Amalgambelastung vorhanden ist?

Daneben gibt es noch ganz viele andere Faktoren, über die kaum nachgedacht bzw. gesprochen wird, so z.B. das Thema Erziehung, ebenso familiäre Konflikte, Umweltbelastungen etc.

Und überwiegend wird gleichzeitig mit der Schubladendiagnose „ADS/AD(H)S“ Ritalin verschrieben.

Kinder sind der Spiegel unserer Erwachsenenwelt und damit Symptomträger für die Anteile in der Familie, dem Umfeld, was von den Erwachsenen gern übersehen wird.

© Evelyn Worbs

Ich erinnere mich noch gut daran, daß es in meiner Kindheit bzw. Jugend häufig gegenüber meiner Mutter  hieß:

„Sie haben aber eine hilfsbereite, freundliche und aufmerksame Tochter, Sie müssen stolz auf sie sein.“

Und meine Mutter fragte lediglich, wer denn gemeint war, erlebte sie mich doch ganz anders. Doch ich hatte das bei meinem Vater abgeschaut: Bei seinen Kunden war er freundlich, aufmerksam und hilfsbereit – Zuhause genau das Gegenteil. Also, wodurch lernen Kinder? Durch Gebote, Verbote oder durch Nachahmen?

Es gibt andere Wege, dem Kind zu helfen als es mit Medikamenten vollzustopfen, die letztendlich Langzeitauswirkungen haben. Homöopathie, Spagyrik etc. sind nur Bausteine von Alternativen. Vor allem beginnt die Hilfe damit, sich selbst in frage zu stellen, also das eigene Verhalten. Und dabei ist es gut, sich  – neben der Schulmedizin – fachliche Hilfe zu suchen bei Therapeuten, bei Heilpraktikern etc.

Welche Erfahrung machten Sie bislang im Finden und Erkennen der „Schubladenkrankheit ADS/ADHS“ und den Umgang mit der „Krankheit Zappelphilipp“?

Herzlichst

Evelyn

– Mentorin auf Zeit –


14 Kommentare

  1. 1. Evelyn

    Kommentar vom 4. März 2011 um 16:45

    Ein wunderbares Buch ist das von Barbara Simonsohn

    „Hyperaktivität – Warum Ritalin keine Lösung ist“

    Empfehlenswert für alle, die mit der Schublade „ADS/AD(H)S“ zu tun haben!

  2. 2. Name (erforderlich)

    Kommentar vom 15. Mai 2011 um 00:29

    homöopathie ist keine hilfe sondern quacksalberei. und sie sollten nicht urteilen, ehe sie nicht selbst erfahrungen damit haben, selbst adhs zu haben oder mit jemandem zusammenzuleben, der das hat.

    außerdem ist ritalin ein btm und darf nur von psychiatern/neurologen verschrieben werden. adhs testungen gibt es-standardisierte fragebögen, aufmerksamkeitstests etc. zudem sollte ritalin erst verschrieben werden, nachdem eine psychotherapie versucht wurde (und ihre zuckerkügelchen wären, sofern sie wirksamer währenals das placebo, das sie nunmal sind, auch nur symptombehandlung. aber an pacebo kann man ja glauben)

    das größte problem an adhs ist neben der umgebung, die dem bewegungsdrang einschneidet so menschen wie sie die eine zementierte meinung haben die aus büchern stammt und nicht aus der eigenen erfahrung aber menschen vorschreiben wollen(subtil) wie sie ihre kinder „richtig“ zu behandeln haben.(und nochwas-für eine objektive meinung sind umfangreichere erfahrungen nötig. icht nur ein kind, viele. gehen sie mal auf tokol. lesen sie und stellen sie da ihre großartigen thesen vor, die quellen den leuten da aus dem kopp.

    zudem solltens ie amerika nicht mit dtl vergleichen, in amerka gibts bei brüchen schon stufe3analgetika.

  3. 3. Evelyn

    Kommentar vom 15. Mai 2011 um 10:53

    Wenn ich mir Ihren Beitrag durchlese, kommt unwillkürlich bei mir die Frage, welche Erfahrung Sie selbst mit diesem Thema haben bzw. inwieweit Sie da involviert sind?

    Sie wissen sicherlich, daß es mittlerweile viele Erwachsene gibt, die Ritalin als Aufputschmittel einnehmen?

    Was Sie schreiben, kenne ich – und ich kenne meine Erfahrungen in diesem Bereich. Es gibt viele Wege, die nach „Rom“ führen. Doch sollten alle ausgeschöpft werden. Und vor allem darf die Eigenverantwortung wahrgenommen werden, statt sie beim Arzt oder ähnliches abzugeben. Und das ist leider vielfach der Fall.

    Ich fand es bedauerlich, daß die BBC den Beitrag aus Youtube entfernte. Er zeigte Realitäten gut auf – und die sind hier in Deutschland genauso wie in Amerika. Es ist für mich traurig zu erleben, wie Eltern verzweifeln, weil schon die Lehrer fordern, daß sie ihren Kindern Ritalin geben mögen, damit „Ruhe“ herrscht.

    Und dieser Artikel löst – zumindest bei mir – mehr als nur Betroffenheit aus:
    http://www.krankenkassenratgeber.de/krankenkassenprofile/techniker-krankenkasse/pressemitteilungen-453.html

    Kinder sind das „Produkt“ ihres Umfeldes. Was leben Ihrer Meinung nach die „Erwachsenen“ vor, daß die Kinder solcherlei Reaktionen zeigen?

  4. 4. Tobias

    Kommentar vom 15. Mai 2011 um 23:01

    Liebe Evelyn,

    Sie wissen sicherlich, daß es mittlerweile viele Erwachsene gibt, die Ritalin als Aufputschmittel einnehmen?

    Das gibt es seit den 50er Jahren, der Witz ist ja dass es beim Ad(H)s Menschen ‚paradox‘ wirkt, also beruhigt, d. h. die innere Unruhe beseitigt eine Konzentration erst möglich macht, wenn also ein Kind dann zum ersten Mal in der Schule etwas ‚mitbekommt‘ ist mir unerklärlich wie man da von ‚zugedröhnt‘ sprechen kann…

    Es gibt auch ‚Super-Muttis‘, die ihren Kindern angsteinflössende Atemnot-Anfälle zumuten, weil sie nicht möchten, das ihre Kinder ‚abhängig werden‘ von dem Spray, dass der Kinderarzt ihnen gegeben hat.

    Das ist natürlich Gutmenschentum allererster Güte!

    Früher mussten Eltern eines AD(H)S-Kindes nur damit rechnen, dass sie ihr Kind eben ’schlecht erzogen‘ haben, heute müssen sie noch damit rechnen, dass man unterstellt sie hätten ihr Kind vernachlässigt, misshandelt oder gar missbraucht – sieht so eine ‚Entstigmatisierung‘ aus?

    Wie es den Kindern dabei geht, interessiert bei der ganzen ‚Besserwisserei‘ niemanden – glaube ich, ganz lustig finde ich es, wenn die Kritik von Erwachsenen kommt, die selbst in ihrer Freizeit Drogen nehmen.

    Viel interessanter ist es, den Aspekt von ‚Krankheit‘ herauszunehmen und auf Selbstakzeptanz hin zu arbeiten, hier zu zwei wirklich aufschlussreiche Bücher:

    „Eine andere Sicht auf die Welt“ von Th. Hartmann und „Zwanghaft zerstreut“ von Hallowell und Ratey, letztere sind Betroffene, die als Therapeuten arbeiten und z. B. nur noch von ‚Aufmerksamkeits- und Aktivitäts-Beeinträchtigung‘ sprechen.

    Das AD(H)S nicht grundsätzlich mit der Pubertät/Adoleszenz aufhört ist auch nicht überall bekannt, Gefängnisse, Trinker- und Drogenheilstätten sind voll mit jungen Männern, die dort nicht sein müssten, wenn ihnen in der Jugend Hilfe widerfahren wäre.
    Da wären wir fast schon wieder bei unserem geliebten ‚Männer-Thema'(Männer agieren körperlich, üben Gewalt aus, hören nie zu etc.)
    ‚Verhaltensoriginell‘ ist übrigens eine Chiffre, die das alte ‚Verhaltensauffällig‘ nur abgelöst hat, so wie jemand der früher ‚unintelligent‘ war – heute nur noch ’nicht sehr differenziert‘ ist – Orwell lässt grüßen..
    ich grüße dich auch und muss nicht mehr angst haben, dass mir der Kaffee wieder hochkommt, wenn ich diesen AD(H)S-Artikel lese.

    einen schönen Start in die Woche
    Tobias

  5. 5. Tobias

    Kommentar vom 16. Mai 2011 um 00:26

    Nachtrag:
    Lehrer, für Lehrer stellt Ritalin eine zusätliche Belastung dar, Grund ist ist die geringe ‚Halbwertszeit‘ von ca. drei Stunden bei Ritalin, das Kind muss morgens dem Lehrer die zweite(dritte)Dosis aushändigen und er muss mit darauf achten, dass sie bei Zeiten genommen wird.
    Anekdotisch kann man hinzufügen, dass z. B. in den USA viele Jugendliche diese zweite Dosis lieber auf dem Schulhof verkaufen, als sie einzunehmen, der ‚Käufer‘ macht sich eine schöne Sause, besonders wenn Alkohol dazu genommen – und die Eltern kommen zu dem Schluss: ach nee Ritalin hilft gar nicht…
    Gute Nacht
    vlG T.

  6. 6. Tobias

    Kommentar vom 17. Mai 2011 um 00:20

    @Krankenkasse:

    etwas heuchlerisch finde ich – denk mal: Ritalin ist teuer – sehr teuer vielleicht, wenn die Zulassung zurück genommen wird – wer profitiert da wohl als erster – rischtisch…

  7. 7. Evelyn

    Kommentar vom 17. Mai 2011 um 23:49

    Lieber Tobi,

    ich freue mich immer wieder, wenn wir uns hier austauschen. 🙂 Ja, jeder von uns hat so seine Erfahrungen gesammelt – und die Auswirkungen erlebt. Das mit den „umgedrehten“ Auswirkungen ist mir wohl bekannt, deshalb erwähnte ich es, und die Anzahl der Erwachsenen, die das als Aufputschmittel nehmen, steigt rapide. Hängt wohl vielleicht auch mit unserer Leistungsgesellschaft zusammen? Was mir allerdings auch schon häufig begegnete, ist, daß Erwachsene gerne den „Mantel“ AD(H)S vor sich her tragen, um sich dahinter zu verstecken. Ist auch ein Weg des Umganges damit. Und wehe, ich trete diesen Menschen zu nahe mit meinen Sichtweisen, dann kommen heftige Reaktionen. Es steckt halt auch ein Krankheitsgewinn darin.

    Danke für den Hinweis mit den beiden Büchern; kommen auf meine Wunschliste (au weia, die wird derzeit immer länger).

    Was Du zu den Müttern schreibst bezüglich der „Asthma-Anfälle“, so bin ich diesbezüglich ohne Erfahrung. Ich hab in den letzten Jahren ganz häufig mit Müttern zu tun gehabt, die sich sehr dafür einsetzten, daß es ihrem Kind gut geht – und sie entweder vom Ritalin loskamen oder erst gar nicht damit anfingen. Und das ist das Schöne: Wir haben alle verschiedene Möglichkeiten, denn viele Wege führen nach Rom. Der eine geht diesen Weg, der andere jenen und dann gibt es noch ganz viele mehr.

    Es ist, und deshalb bin ich dankbar für meine Ausbildungen, sehr schön zu erleben, wie sich die Reaktionen verändern bei allen Beteiligten, wenn ein Baustein nach dem anderen angesehen wird. Dabeigeht es wirklich um die gesamte Familie. Und dann geht es auch ohne. Das Buch, daß ich oben im Nachgang zu meinem Beitrag einstellte, erreichte mich erst zum Ende des vergangenen Jahres. Und darin hab ich sehr viel von dem wieder gefunden, was ich selbst in diesem Bereich miterleben durfte. Letztendlich für mich eine Bestätigung.

    Liebe Grüße zu Dir und laß es Dir richtig gut gehen, unabhängig davon was zu lesen ist bzw. geschrieben wird. Das Leben bietet wesentlich mehr als Ärger 🙂
    Evelyn

  8. 8. Evelyn

    Kommentar vom 17. Mai 2011 um 23:53

    Zum Thema Lehrer:
    Wie mir die Eltern berichteten, übernimmt kein Lehrer die „Verantwortung“, das Medikament auszuhändigen.

  9. 9. Evelyn

    Kommentar vom 17. Mai 2011 um 23:56

    Sorry, Tobias – was meinst Du in Bezug auf die Krankenkasse?
    LG
    Evelyn

  10. 10. Tobias

    Kommentar vom 18. Mai 2011 um 01:44

    Sorry, Tobias – was meinst Du in Bezug auf die Krankenkasse?
    LG
    Evelyn

    Falls du dir das von einem ‚Kamel‘ erklären lassen willst –
    Nehmen wir also an du bist eine Krankenkasse,
    du bezahlst die Rechnungen der kranken Menschen
    die musst du zahlen, wenn die Behandlung zugelassen ist
    wenn sie teuer ist – kannst du dich freuen wenn die Zulassung zurück gezogen wird…

    das ist vielleicht dreimal ‚um die Ecke‘ gedacht… :o)

    jetzt fresse ich noch ein bisschen am ‚Rasen der Seriosität‘ *lol*

    <3

    Tobias

  11. 11. Evelyn

    Kommentar vom 18. Mai 2011 um 11:31

    Ach, Tobi – dann sorgt schon die Pharmaindustrie dafür, daß ein anderes Präparat auf den Markt kommt. Wissen wir, was da schon alles in den „Schubladen“ liegt?

    Mir geht es ja darum aufzuzeigen, daß auch andere Wege beschritten werden können.

    Ich schicke Dir ganz, ganz viele Sonnenstrahlen. Ich mag dieses „Kamel“ einfach sehr gerne 😉

  12. 12. Evelyn

    Kommentar vom 6. März 2012 um 18:02

    Das ich alles andere als allein mit meiner Sichtweise da stehe, zeigt auch dieser Artikel:

    http://www.gerald-huether.de/populaer/veroeffentlichungen-von-gerald-huether/zeitschriften/psychologie-heute-interview-gerald-huether/index.php

    Es geht eben doch anders!

  13. 13. Evelyn

    Kommentar vom 6. März 2012 um 18:04

    Wann wird die „Schulmedizin“ wach – und die Erwachsenen dazu?

    http://www.morgenpost.de/web-wissen/article1920779/Frueh-eingeschulte-Kindern-tappen-in-die-ADHS-Falle.html

    Wir ernten,was wir säen…

  14. 14. Evelyn

    Kommentar vom 6. März 2012 um 18:06

    http://www.morgenpost.de/web-wissen/gesundheit/article1904411/Deutschland-das-Land-der-gedopten-Kinder.html

    Wie krank ist doch unsere Gesellschaft, die das zuläßt. Und es sind die Erwachsenen, die Kinder lediglich die Sympthomträger.

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