Abwehrmechanismen – Introjektion

© Andrea Marchetti

Weshalb wir täglich zu den Abwehrmechanismen greifen, hast Du bereits in den vorangegangenen Artikeln gelesen bzw. lesen können.

Und Du kannst das jetzt noch nachholen, es lohnt sich für Dich. 😉

  • Was passiert eigentlich, wenn das Leben unserer Eltern z.B. von Scham geprägt ist und sie selbst bedürftig sind?
  • Was geschieht, wenn sie alles andere als  in der Lage sind, die so wichtige, widerspiegelnde narzißtische Funktion für das Kind zu übernehmen?

Narzißmus, wie ich ihn hier als Begriff verwende, ist im Sinne von natürlicher Selbstliebe  gemeint.

Die Tatsache, daß auch unsere Eltern selbst schamgeprägt sind, ist ein starkes Anzeichen dafür, daß ihre narzißtischen Bedürfnisse nie befriedigt wurden. Unsere Eltern sind erwachsene Kinder, welche noch immer auf der Suche nach Eltern oder nach einem „Objekt“ sind, daß nur für sie da ist. Solchen Eltern bieten sich die eigenen Kinder als ideale „Objekte“ für die Befriedigung der eigenen narzißtischen Befriedigung an.

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In diesem Zusammenhang schreibt Alice Miller in ihrem Buch  „Das Drama des begabten Kindes“:

… Ein Neugebores ist auf Gedeih und Verderb auf seine Eltern angewiesen. Und da seine Existenz davon abhängt, ihre Zuwendung zu bekommen, tut es auch alles, um sie nicht zu verlieren. Es wird vom ersten Tag an all seine Möglichkeiten einsetzen, wie eine kleine Pflanze, die sich nach der Sonne dreht, um zu überleben…

Und so nimmt das Drama seinen Lauf. Was unsere Eltern nie von ihren Eltern bekamen, holen sie sich nun von uns Kindern. Wir sind/waren immer verfügbar. Wir Kinder haben ein erstklassiges Gespür dafür, was unsere  Eltern brauchen, welche Bedürfnisse sie haben … und erfüll(t)en sie. Und das auf ganz unbewusste Art und Weise. Das diente unserem Existenzerhalt.

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So übernahmen wir dann einfach und widerspruchslos deren Werte-Orientierung, Wünsche, Vorschriften, Vorhaltungen usw. usf.

Und dieses Verhalten nennt sich dann Introjektion:
Eine Einverleibung äußerer Werte-Orientierung in die eigene Ich-Struktur, also in die Struktur unserer Persönlichkeit.

So sicherten wir uns die Liebe und die Aufmerksamkeit unserer Eltern. Dieser Prozeß verkehrt die natürliche Struktur zwischen Eltern und Kinder. Jetzt kümmern sich die Kinder um die Bedürfnisse der Eltern, obwohl es umgekehrt zu sein hat.

Weil wir Kinder von Klein auf  für unsere Eltern da waren, steht niemand mehr zu Verfügung, der unsere Gefühle und Triebe widerspiegelt und sich um uns und unsere Bedürfnisse kümmert. Und das zieht sich dann durch bis in das Erwachsenenleben. Wir sind es gewohnt und geben unsere Gewohnheiten auch wieder an unsere Kinder weiter. Ein permanenter Kreislauf. Wir lernten nie den Unterschied zwischen gesunder und toxischer Scham.

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Wir sind heute immer noch auf der Suche nach „Eltern“, die unsere  Bedürfnisse befriedigen. Wir suchen in unserem Partner den Vater, in unserer Partnerin die Mutter.

Wir suchen weiter nach Papa und Mama bei den Freunden, bei den Kollegen, bei den Geschäftspartnern, bei  den Kunden, bei den Bekannten, bei den… Und wundern uns, wenn das alles andere als funktioniert. Die „Ent“täuschungen sind damit klar und eindeutig vorprogrammiert.

Es ist HEUTE an uns selbst, uns dieser Muster bewusst zu werden bzw. bewusst zu sein. Wir können selbst unsere eigene Mutter, unser eigener Vater sein. Uns selbst all die Liebe geben und all das, was wir brauchen. Dann können wir auch damit aufhören, unseren Partner, unsere Partnerin etc. emotional zu missbrauchen. Dann sind wir die Frau bzw. der Mann und damit der Mensch, der sich der eigenen Gefühle und Bedürfnisse bewusst ist und diese offen und klar kommuniziert. Und zwar als reifer Erwachsener statt weiterhin als bedürftiges Kind. Welch eine Erleichterung für alle!

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Erst dann können wir auch damit aufhören, anderen permanent Anerkennung zu geben, um durch diese Manipulation geliebt zu werden und Aufmerksamkeit zu erlangen.

Erst dann geben wir wirkliche Anerkennung aus der Fülle heraus statt aus der Bedürftigkeit bzw. dem Mangel. Und wir können damit aufhören, Liebe und Anerkennung zu entziehen, weil unsere Bedürfnisse unerfüllt bleiben. Kommunikation auf Augenhöhe ist das große Geschenk, das wir uns gegenseitig möglich machen und eine echte Begegnung zwischen „Dir und mir“ ist die Folge.

Häufig zeigen genau die erfolgreichen und leistungsmotivierten Menschen, die wegen ihrer Begabung und wegen ihrer LEISTUNGEN gelobt und bewundert werden, diese narzißtischen Defizite. Von Außen betrachtet scheinen sie stark, zuverlässig und außerordentlich selbstsicher zu sein. Das genaue Gegenteil ist jedoch der Fall. Sobald die „Droge der Grandiosität“ ausfällt, plagen sie auf’s Heftigste die Ängste und / oder Schuld- bzw. Schamgefühle. Ein Abrutschen in die Depression ist eine der möglichen Folgen.

© Andrea Marchetti

Nutze diese Informationen für Dich.

Nimm Dir die Zeit, über Dich selbst, Dein  Verhalten und Deine Bedürfnisse nachzudenken, noch besser:

spüre wirklich-wirklich in Dich hinein.

Und es gibt Wege aus diesem Kreislauf heraus! Nimm Dir einen Therapeuten – es gibt auch für Dich genau die therapeutische Hilfe, die Dich dabei unterstützt, aus diesem Muster auszusteigen. Es ist Dein Leben, was an Lebensqualität gewinnt – und das Leben Deines Umfeldes wird sich dadurch drastisch verbessern und es erfolgt ein wirkliches Miteinander!

Ich wünsche Dir den Mut dazu, den eigenen Drachen reiten zu lernen. 😉

Herzlichst

Evelyn

– Mentorin auf Zeit –


4 Kommentare

  1. 1. Gesami

    Kommentar vom 23. April 2012 um 09:25

    Hallo Evelyn
    Da kommt ja echt was rüber!
    Danke für deinen wundervollen Blog.
    Gesami

  2. 2. Evelyn

    Kommentar vom 23. April 2012 um 10:19

    Hallo Gesami,
    danke für die Anerkennung! Ja, dieser Blog ist ein Herzensanliegen von mir. Ich wünsche mir, daß ganz, ganz viele daraus Nutzen ziehen.
    Herzlichst
    Evelyn

  3. 3. Maryon Pake

    Kommentar vom 25. Dezember 2013 um 09:16

    Hallo,

    kennen Sie einen guten Psychotherapeuten in Hamburg der mir helfen kann. Ich kann aber nur auf Kasse.
    Danke imvoraus für Ihre Hilfe

  4. 4. Evelyn

    Kommentar vom 4. Januar 2014 um 22:22

    Hallo Maryon,
    ich sandte Dir eine E-Mail. Ich kann mir vorstellen, daß Du dort Hilfe findest, vielleicht auch in Form einer Weiterempfehlung.
    Herzlichst
    Evelyn

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