Scham und der Perfektionismus

© Andrea Marchetti

Perfektionismus entspricht dem Wesen der toxischen Scham, die keine Grenzen hat. Ein Perfektionist kennt kein gesundes Schamgefühl: er hat kein Gefühl für seine Grenzen. Perfektionisten wissen nie, was gut genug ist.

Perfektionismus wird dadurch gelernt, daß man nur geschätzt wird, wenn man etwas tut. Wenn man dann von den Eltern akzeptiert und geliebt wird, wenn man etwas leistet – dann entsteht Perfektionismus. Die Leistung steht immer im Zusammenhang mit etwas, das außerhalb des Selbst existiert. Dem Kind wird beigebracht, strebsam zu sein. Es gibt nie einen Ruhepunkt, an dem es innere Freude und Zufriedenheit genießen kann.

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Der Perfektionismus schafft immer ein übermenschliches Maß, an dem man gemessen wird. Man kann sich noch so anstrengen und alles noch so gut machen, gut genug ist man nie. Und dieses Nichtgenügen wird in die Kategorie „gut und böse“, „besser und schlechter“ übersetzt. Gut und böse führen zum Moralisieren und zur Selbstgerechtigkeit, Perfektionismus zwingt zu Vergleichen. Kaufmanns schreibt: „Wenn der Perfektionismus überwiegt, führt der Vergleich mit den anderen unweigerlich immer dazu, daß man selbst schlechter abschneidet.“

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Derartige Vergleiche dienen im wesentlichen nur dazu, die innere Scham aufrechtzuerhalten. Man fügt sich selbst im Inneren das zu, was einem von außen zugefügt worden ist. Beurteilen anderer und Vergleiche führen zu einem mörderischen Wettkampf, dessen Ziel es ist, besser zu sein als die anderen, anstatt einfach so gut wie möglich zu sein. Dieses Streben, besser sein zu wollen als die anderen, führt zu Stimmungsveränderungen und macht süchtig.
Aus: Wenn Scham krank macht

Ich bin damit groß geworden. Alles was ich tat, war nie genug in den Augen meiner Eltern.  Immer wieder ein Kampf, noch bessere Leistungen zu erzielen. Irgendwann verselbständigte sich das dann, sprich, ich hatte dieses Verhalten internalisiert – und so war ich dann später auch im Berufsleben eine willkommene Lösungsfinderin für all die, die selbst untätig blieben. Ich definierte mich ausschießlich über Leistung,  meinen Wert bezog ich aus den erzielten Erfolgen für andere. Und wehe, sie blieben aus. Dann war ich ungenießbar.

© Andrea Marchetti

Und es kam der Moment, wo dieses Kartenhaus in sich zusammen fiel – und es galt, dieses Verhaltensmuster aufzulösen. So alte Konditionierungen aufzugeben, sich neue Wege zu erschließen, den eigenen Wert zu erkennen ohne Leistung zu erbringen, war herausfordernd. Doch das lohnte sich für mich – auch wenn ich heute noch in die eine oder andere Falle tappe.

Wir sind nie fertig auf unserem Weg – wir wachsen täglich und wir bekommen zu jeder Zeit die nötigen „Weckrufe“ – wenn wir sie denn hören und wahrnehmen wollen statt weiter in die Verdrängung zu gehen.

Wer mehr zu dem Thema „Scham“ wissen möchte, schaut einfach mal unter der Rubrik „Buchempfehlungen“ nach bzw. gibt das Stichwort „Scham“ ein. Es gibt dazu weitere Beiträge hier.

Ich mag übrigens diese Aussage immer wieder gerne ins Gedächtnis rufen:

Gespeicherte Erinnerungen sind wie Mikrochips, die darauf programmiert sind, eine immer gleiche Botschaft zu senden. Wenn Sie feststellen, dass Sie immer wieder dieselbe Reaktion zeigen, findet ein solcher Sendevorgang statt.

– Deepak Chopra –

Herzlichst

Evelyn

Mentorin auf Zeit


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