Angst essen Seele auf

Einige von uns werden diesen Film noch kennen, für einige wird er unbekannt sein. Hier ein kurzer Filmausschnitt:

Ja, täglich leben wir mit unserer Angst, alle, ohne Ausnahme. Oftmals ist uns die Angst vor etwas bewusst, doch sehr häufig schlummert sie in uns und ist dennoch dadurch sehr präsent und verbaut uns unsere Wege. Wir lagern andere Gefühle darüber, um das Gefühl der Angst zu vermeiden – und der damit verbundenen Hilflosigkeit, die sich erst einmal zeigt.

„Schließe die  Tür und es öffnet sich die nächste“

© Andrea Marchetti

Leicht gesagt, doch mitunter sehr herausfordernd, diesen Schritt zu gehen. Und wenn wir ihn freiwillig unterlassen, bekommen wir die Aufgaben von Außen gestellt, damit wir den inneren Zugang dazu bekommen.  Da bricht die Arbeitsstelle weg, Firmeninhaber haben einen Kunden- bzw. Umsatzrückgang, Forderungsausfälle sind zu beklagen, Krankheiten zeigen sich, Menschen gehen aus unserem Leben.

Da ist zum Beispiel eine Versetzung in ein anderes Land. Eine vertraute Umgebung muß vielleicht „von Heute auf Morgen“ aufgegeben werden. Menschen, die einem an’s Herz gewachsen sind, mit denen wir viel erlebten, mit denen wir Freude und Leid teilten, bleiben zurück.  Unser vertrautes Heim geht in andere Hände über, unseren bisherigen Arbeitsplatz nimmt ein anderer Mensch ein. Ja, das ist ein Ende, eine Tür schließt sich.

© Andrea Marchetti

Und gleichzeitig ist es ein Neuanfang, ein  neues Abenteuer: Es gilt, sich mit einer anderen Mentalität vertraut zu machen, neuen Menschen zu begegnen, sich neu zu behaupten, vertraute Rituale aufzugeben, sich neuen Aufgaben zu stellen und vieles mehr. Ein Wechselbad der Gefühle geht damit einher. Nur zu  gerne verdrängen wir in diesem Augenblick die Angst vor dem Neuen, den Verlust der Vertrautheit, den Schmerz, die Trauer. Wegmachen ist angesagt, ein inneres Weglaufen vor sich selbst.

Ja, ich kenne diese Ängste auch. Ich bin auf dem Weg, Berlin – meine Geburts- und Heimatstadt – endgültig zu verlassen, doch welchen Preis zahlte ich für die in mir schlummernde Angst, der ich mich alles andere als stellen wollte. Hier in Berlin wurde ich geboren, hier wuchs ich auf, hier sammelte ich meine Erfahrungen, hier lebte ich, hier arbeitete ich und das seit 1985 als Selbständige. Auch das mit allen Höhen und Tiefen. In Berlin gewann ich und in Berlin verlor ich.

Meine Reise führt in ein anderes Bundesland. Südlich, nach Bayern – ins Berchtesgadener Land, und damit nahe Österreich  – , mitten hinein in die Natur, da, wo ich für mich „Zuhause“ bin, mit all dem, was Mutter Erde mir schenkt: Die Pflanzen, die Berge, die Wälder, die Seen, die Tiere. Mit einer heilenden Energie statt einer krank machenden. Und ich weiß bereits heute, daß auch das lediglich eine Etappe auf meiner Reise ist, sie wird mich noch wo andes hinführen.  Doch was lasse ich zurück?

© Andrea Marchetti

Die Straßen, die mir so vertraut sind. Es hängen so viele Erinnerungen und Geschichten daran, ich kenne die Wege mit geschlossenen Augen, die ich zu fahren habe. Berlin ist gewachsen und hat sich verändert seit der Öffnung der Mauer 1989. Ich war mitten drin im Geschehen als Hausverwalterin und Baubetreuerin. Es galt für mich u.a.  die Schönheit der Altbauten wieder durch Sanierung und Modernisierung hervorzubringen, Menschen mit Wärme zu begegnen und ihnen ein Zuhause zu schaffen, in welchem sie sich wohl fühlen.

Ein Verbinden von Haus- bzw. Wohnungseigentümern, Mietern, Behörden, Institutionen, Handwerkern, Planern, Architekten u.v.m. war dazu angesagt.  Obwohl Menschlichkeit in diesem Bereich vielfach ein Fremdwort ist, wurde diese Eigenschaft von uns allen in meiner Firma gelebt. Ich hatte immer die zu jeder Zeit passenden Mitarbeiter. Als ich meine Firma aufgab, waren die Eigentümer der Immobilien darüber so entsetzt, daß sie mir Steine in den Weg legten, in dem sie gegen mich noch Gerichtsverfahren anstrengten. Ihre Art auf Wiedersehen und Danke zu sagen.

© Andrea Marchetti

Meine Erzeugerfamilie einschl. Geschwister, die es vorzieht, seit Ende der 90er Jahre ohne Kontakt mit mir zu bleiben und das auch klar und deutlich zum Ausdruck brachte. Ja, Waise kann „man/frau“ auch sein, obwohl die Familie lebt. Auch das kennen ganz viele Menschen.

Da sind die ganzen Erinnerungen, wie z.B. auch an mein Modegeschäft, in welchem ich meine Frauen mit Freude, Geschmack und Lust neu einkleidete und die mich sehr vermissten, als ich das Geschäft verkaufte.

Da sind die mir liebgewordenen Geschäfte, in denen ich einkaufte, da sind die Ecken der Erholung, wie z.B. der Lietzernsee, der Wannsee, die Waldbühne mit den hervorragenden Konzerten, die ich dort erleben durfte und noch ganz, ganz viel mehr.

© Andrea Marchetti

Wie unterschwellig das alles und noch viel mehr in mir arbeitete, ist mir dieser Tage erst so wirklich bewusst geworden. Ich holte mir sämtliche Schwierigkeiten in mein Leben herein, nur um der Angst auszuweichen, das alles aufzugeben, denn es war ja alles so vertraut, auch der Schmerz, den ich seit 58 Jahren hier lebe. Diese Angst wirklich-wirklich  zu spüren, zuzulassen, sie anzunehmen. Oh, die Tränen rannen ohne Ende, doch am Ende zeigte sich ein Frieden in mir zu meiner bereits vor Jahren getroffenen Entscheidung,  mir endlich mein wirkliches Zuhause zu schaffen, mir das Leben zu ermöglichen, welches sich für mich heute stimmig zeigt; alte Gewohnheiten aufzugeben und mich von dem Neuen inspirieren zu lassen durfte sein.

Unbekannt

Ja, es gilt ein neues Abenteuer zu wagen. Ja, es ist an der Zeit zu sagen „It’s time so say good bye“.

Die einzelnen und  notwendigen, inneren Schritte sind gemacht. Diese überspringen zu wollen ist eine Illusion. 😉

Die eigenen „Baustellen“ sind jetzt reif, um sie abzuschließen.

Und ich durfte einmal mehr selbst erleben, daß alles zur rechten Zeit zu uns kommt. Wie ich das meine?

Schau Dir diesen Link einmal an:

Und so weiß ich heute, daß mich jetzt mein neues Daheim bald findet, ich meine Sachen aus dem Lager holen und wieder mit ihnen und in ihnen leben darf. Ich gehe mit Mut und Freude in dieses neue Abenteuer. Ich gewinne so viel dadurch – meine Freiheit. Und ich danke aus ganzem Herzen all den Menschen, die mir  Steine in den Weg legten, die mir ihre Hilfe gaben und die mich lieben, wie sich das auch immer zeigt(e). Jedem Einzelnen von ihnen. Denn – das ist das Geschenk was wir uns selber machen: Wir haben all das selbst in unser Leben gezogen, weil wir es so erfahren wollten. DAS gilt es vorbehaltslos und schonungslos von uns selbst anzuerkennen, auch wenn das mit verletztem Stolz, Ego und noch mehr einher geht.

Ich schließe hier mit einem weinenden und einem lachenden Auge. Beides ist da, beides gilt es anzunehmen, ohne Wenn und Aber. Und so schenke ich Dir hier an dieser Stelle noch dieses Lied:

Fasse den Mut, Dir selbst zu begegnen und fasse den Mut, die Situation so zu verändern, daß Du glücklich bist. Ob das nun bedeutet, einen Menschen zu verlassen, eine Arbeitsstelle zu kündigen, die Dich unglücklich macht oder was es auch immer bei Dir ist.

Herzlichst

Evelyn

– Mentorin auf  Zeit –


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