Scham – ausgelöst durch Unterstellungen

© Andrea Marchetti

„Drehbücher für das Leben“, so nannte Eric Berne, der Begründer der Transaktionsanalyse, die Beobachtung, daß ein großer Teil der Bevölkerung ein sehr tragisches Leben führt. Die Tragik besteht darin, daß sie scheinbar keine andere Wahl haben. Wie Schauspieler, die an die Rollen gebunden sind, die das Drehbuch ihnen vorschreibt.

Die Entstehung dieser Drehbücher ist kompliziert. Der Prozeß wird durch Wahlmöglichkeiten, die sich auf Verbote und Unterstellungen, vom Drehbuch vorgeschriebene Vorbilder und Lebenserfahrungen beziehen, bestimmt. Alle toxischen Drehbücher enthalten das Gebot „sei nicht du selbst„. Derartige Gebote und Verbote erzeugen im wahren Selbst Schamgefühle und führen zu einer Spaltung des Selbst.

© Andrea Marchetti

Unterstellungen sind bewußter und haben ihren Ursprung häufig in verbalem seelischem Mißbrauch. Botschaften wie „Wie kannst du nur so dumm sein?“ oder „Wo hast du eigentlich dein Gehirn?“ weisen dem Betroffenen eine Rolle in dem „Wahn“-Skript zu.

Bemerkungen wie „In Wirklichkeit hast du deinen Bruder doch lieb, nicht wahr?“ oder „Ich erkenne meinen kleinen Jungen gar nicht wieder, der ist doch gar nicht so böse“ führen dazu, daß man selbst nicht mehr weiß, welche (Liebes)Gefühle man hat.

© Andrea Marchetti

Bemerkungen wie „Ich weiß, daß du nicht wirklich wütend bist“ oder „Du hast gar keinen Grund zu weinen“ entwerten die eigenen Gefühle und erzeugen Verwirrung.

Unterstellungen können auf direkte Art geäußert werden, wenn zum Beispiel Ihre Mutter sich mit ihrer Freundin unterhält und über Ihren Bruder sagt: „Er ist ein braves Kind“ und von Ihnen „Er ist ein kleiner Range“. Andere Bemerkungen, die man häufig von Eltern hört, sind:

  • „Du wirst immer Schwierigkeiten mit dem Lernen, mit deinem Gewicht, mit deiner Wut usw. haben“,
  • „Aus dir wird nie etwas“,
  • „Du bist schon immer ein Egoist gewesen.
  • Die arme Frau, die du mal heiratest“. Oder:
  • „In dieser Familie sind noch alle Rechtsanwalt geworden.“ Oder:
  • „In unserer Familie hat sich noch keine Frau scheiden lassen.“

Bemerkungen aus dem Drehbuch unserer Familie sagen uns, wie wir sind oder welche Rolle wir im Leben spielen sollen. Das führt dazu, daß unser wahres Selbst sich schämt, was zu einer Spaltung führt.

Aus: Wenn Scham krank macht

  • Wenn Du das liest, welche Gefühle kommen bei Dir hoch?
  • An welche Sätze erinnerst Du Dich?
  • Was machen diese Aussagen mit Dir?
  • Welcher Gedanke in Dir löst am meisten Scham in Dir aus?
  • In welchen Situationen geschieht das?
  • Womit könntest Du diesen Schamgedanken auf der „Stelle“  unterbrechen, um diesen Teufelskreis zu bremsen?

© Andrea Marchetti

Es lohnt sich für Dich, diese Übung schriftlich zu machen, um der toxischen Scham auf die Spur zu kommen.

Selbsterniedrigung reduziert Deine eigene Lebensqualität.

Diese Übung hilft Dir dabei, immer wachsamer über Deine Gedanken und die damit verbundenen Gefühle zu werden. Sie lassen sich stoppen – Übung macht den Meister. 😉

Herzlichst

Evelyn

Mentorin auf Zeit


2 Kommentare

  1. 1. Martin Lüssi

    Kommentar vom 13. Juli 2012 um 10:57

    Hallo Evelyn

    Ein sehr weiser Beitrag, und ich würde wahrscheinlich lügen, wann ich behaupten würde, keines der genannten Beispiele je gegenüber meinen Kindern gesagt zu haben, viele dieser Aussagen habe ich selber als Kind auch gehört. Ich finde es gut, wie Du in diesem Beitrag sachlich und ohne Vorwürfe auf die Auswirkungen solcher äusserungen hinweist.

    Einige der äusserungen, macht man vielleicht auch ohne gross zu überlegen, manchmal spasseshalber, so zum Beispiel der Satz: „Die arme Frau…oder der arme Mann der Dich…..“

    Danke für den wirklich wertvollen hinweis, der das tägliche Miteinander sehr erleichtern kann…

    Liebe Grüsse aus der Schweiz

    Martin

  2. 2. Evelyn

    Kommentar vom 13. Juli 2012 um 13:50

    Ciao, Martin,

    habe herzlichen Dank für Dein Feedback. Wem nutzen „Schuldzuweisungen“? Niemandem! Es geht um mehr Bewusstsein, um mehr Achtsamkeit, um eine Wahrnehmung von dem, was wir sagen, fühlen, weitergeben – ohne in der Regel zu reflektieren. Erst dann kann ein Wandel erfolgen. Ja, auch ich kenne diese und ähnliche Sätze, wie wir alle. Doch heute liegt es an uns, da aufzupassen, denn das sind Anker mit „Langzeitwirkung“. Und „unsere“ Kinder zeigen sehr deutlich, wo wir wach sein dürfen. Und das ist mein Anliegen an uns alle, mich selbstverständlich eingeschlossen.

    Du bist jederzeit hier herzlichen Willkommen.
    Evelyn

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