Welche Freunde brauchen wir?

© Andrea Marchetti

Irgendwann kommen wir wohl alle einmal in die Situation, einen Rechtsanwalt beauftragen zu müssen. Wer von uns hat schon den passenden Juristen in der „Schublade“ liegen? Wohl kaum einer. Also werden Erkundigungen eingezogen, wer wen kennt oder empfehlen kann. Ich durfte gerade folgende Geschichte miterleben:

Ein Auftragnehmer hatte einen (ehemaligen und langjährigen) Kunden, der seine Rechnungen teilweise unbezahlt ließ und auch dessen Mahnungen ignorierte.  Der Auftragnehmer hatte sich im Gegenteil noch durch den Auftraggeber anzuhören, daß dieser auch nicht mehr gedenke, für die in Anspruch genommene Leistung (voll) zu bezahlen. So bestand eine Restforderung von rund 1.500 EUR aus.

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Der Auftragnehmer befragte einen befreundeten Rechtsanwalt, ob er den Fall übernehmen würde. Dieser ließ sich die Unterlagen hereingeben, sah sich die Vorgänge durch, stellte noch die eine und andere Frage und war schließlich bereit, das Mandat zu übernehmen.  Eine Nachfrage des Mandanten, welche Kosten ihm für dieses Verfahren entstünden, beantwortete der Rechtsanwalt mit 100 – 150 EUR. So wurden sich beide „handelseinig“.

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Es verging einige Zeit, bis der Anwalt tätig wurde; durch Mandant und dessen ehemaligen Auftraggeber kam dann Bewegung hinein, der zu einem Vergleich führte, der letztendlich nicht einmal die Hälfte der Forderungssumme beinhaltete. Doch mittlerweile war es dem Auftragnehmer egal, er wollte einfach einen vollständigen Abschluß der Angelegenheit.

Der befreundete Rechtsanwalt setzte also den Vergleich auf, rechnete seine Kosten für seine außergerichtliche Tätigkeit ab und verrechnete seine Honorarnote gleich mit der Vergleichssumme, die von dem Schuldner des Auftragnehmers auf sein Treuhandkonto überwiesen wurde. Soweit so gut. Doch gab es keine Rechnung über 150 EUR sondern, zur großen Überraschung für den Mandanten, eine über 466 EUR!

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Auf Rückfrage des Mandanten erklärte der Rechtsanwalt, daß die seinerzeit genannten Kosten lediglich für ein Schreiben gegolten hätten. Der Mandant war überrascht, denn die seinerzeitige, schriftliche Kostenauskunft ließ diese Einrede in keiner Form erkennen und zu keiner Zeit hatte der Rechtsanwalt darüber informiert, daß weitere Gebühren anfielen.  Obwohl das Thema Kosten immer wieder seitens des Mandanten angesprochen wurde.

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Rechtsanwälte haben nach § 49 b, Abs. 5, BRAO eine Aufklärungs- und Auskunftspflicht bezüglich ihrer Kosten und dazu noch insbesondere, wenn der Mandant danach fragt. Und ich finde, erst recht besteht diese Pflicht im Bereich von Freundschaft. Doch hört bei Geld die Freundschaft auf? Hat Vertrauen da kein Bestand mehr, geht es nur noch um die eigenen Vorteile?

Nun forderte der Mandant seinen Freund auf, ihm die Differenz  zwischen der ursprünglich genannten und nun abgerechneten Summe zu überweisen. Warten wir es ab, wie das ausgeht. Muss jetzt ein weiterer Anwalt beauftragt werden, um diesen Anwalt auf die Einhaltung seines Kostenangabe zu verklagen? Wird die Anwaltskammer eingeschaltet?

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Ich bin neugierig, wie sich der Fall entwickelt. Doch eines weiß ich auch: Der Rechtsanwalt war alles andere als ein Freund des Mandanten. Denn Klarheit  und Gradlinigkeit fehlte hier seitens des Juristen.  Und wie konnte der Mandant seine Eigenverantwortung wahr nehmen (gerade auch bei der Akzeptanz des Vergleiches), wenn er im Unklaren über die von ihm zu zahlenden Kosten gelassen wurde? Das ist übelste Grenzüberschreitung und zeigt vor allem, daß dem Anwalt der Mut fehlt, seine Forderungen vorher klar zu benennen.

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Welche Erfahrungen haben Sie mit Rechtsanwälten und deren Honorare?

Nachdenkliche Grüße

Evelyn

Mentorin auf Zeit

Nachtrag:
Nun, in der Zwischenzeit klärte sich alles zur Zufriedenheit der Beteiligten auf. Und das war schön für mich zu erfahren. Zeigt es doch mal wieder, daß ein Nachdenken  in die Klarheit führt und so zwei Menschen (hoffentlich) wieder in den gemeinsam Frieden gekommen sind.


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