Geiz ist geil?

© Andrea Marchetti

Diese Werbeaussage kennen wir wohl alle, begegnet sie uns doch in verschiedenen Varianten jeden Tag.

Ich frage mich allerdings, weshalb Geiz geil sein soll. Sicherlich ist es sinnvoll, auf Preise zu achten und auch Preise miteinander zu vergleichen. Doch das geht nur, wenn wirklich identische Produkte miteinander verglichen werden. Und selbst da gibt es krasse Unterschiede.

Vor einigen Jahren suchte ich eine kleine Stereoanlage. Ich ging unter anderem in einen großen Elektromarkt und stöberte durch die entsprechenden Ausstellungsstücke. Bei einer Anlage blieb ich stehen. Der Preis von 239 EUR war reduziert auf 179 EUR. Ich sah mir die  Anlage genauer an und stellte dem hinzugerufenen Verkäufer die eine und andere Frage, die er mir mit viel Widerwillen beantwortete. Ob er überhaupt  Freude an seinem Beruf hatte? So richtig überzeugt war ich nicht,  obwohl es sich – lt. Verkäufer – um ein „Schnäppchen“ handelte.

© Andrea Marchetti

Ich fuhr weiter und fand ein kleines Fachgeschäft in meiner Nähe. Auch hier trug ich meinen Wunsch vor und erzählte von einer Anlage, die ich gesehen hätte. Der Verkäufer fragte mich nach dem Hersteller und der Gerätebezeichnung. Beides konnte ich ihm nennen, da ich mir die Angaben in dem anderen Haus aufgeschrieben hatte. Er schaute in seine Preisliste und meinte: Ja, die Anlage kostet regulär 159 EUR – ich kann sie ihnen für 139 EUR verkaufen. Ich war platt. Das zum Thema „Schnäppchen“.

Dann stellte mir der Verkäufer interessiert Fragen, welche Art von CD’s etc. ich hören würde – und er machte mich darauf aufmerksam, daß die von mir erfragte Anlage bestimmte CD’s nicht spielen würde. Welch ein Glück! Ich fand dann in dem Geschäft eine Anlage, die meinen Wünschen entsprach. Sie kostete fast den gleichen Preis, hatte dennoch bessere Wiedergabequalität und praktische Zusatzfunktionen und ich konnte alle CD’s spielen, ohne Einschränkung. Kostenfrei geliefert und aufgestellt wurde sie mir auch noch und der Einzelhändler nahm die unbrauchbare gleich mit und entsorgte sie.

© Andrea Marchetti

Sie sehen, es gilt doch viel zu berücksichtigen bei Preisvergleichen. Wer macht nun wirklich das Geschäft bei „Geiz-ist-geil“?

Vielfach wird mit dem Begriff Geiz auch Habgier bzw. Gier verbunden, eine übertriebene, oder auch zwanghafte Sparsamkeit. Und es zeigt, daß im grunde genommen ein Wille besteht, das Teilen zu vermeiden. Wollen wir uns auf Kosten anderer bereichern? Was sagt das über uns selbst aus? Ich denke wenig gutes. Sind wir es uns wert, für gute Ware bzw. Leistung auch gutes Geld zu bezahlen? Ich fand einmal nachstehenden Text, welcher vor langer Zeit entstand und noch immer seine Gültigkeit hat:

© Evelyn Worbs - Erwachen

© Evelyn Worbs

Zum Nachdenken über Preise

Es gibt kaum etwas auf dieser Welt,
dass nicht irgend jemand ein wenig schlechter machen
und etwas billiger verkaufen könnte,
und die Menschen, die sich nur am Preis orientieren,
werden die gerechte Beute solcher Machenschaften.

Es ist unklug, zuviel zu bezahlen,
aber es ist noch schlechter, zuwenig zu bezahlen.
Wenn wir zuviel bezahlen,
verlieren wir etwas Geld, das ist alles.
Wenn wir dagegen zu wenig bezahlen,
verlieren wir manchmal alles,
da der gekaufte Gegenstand
die ihm zugedachte Aufgabe nicht erfüllen kann.
Das Gesetz der Wirtschaft verbietet es,
für wenig Geld viel Wert zu erhalten.
Nehmen wir das niedrigste Angebot an,
müssen wir für das Risiko,
dass wir eingehen, etwas hinzurechnen.

Und wenn wir das tun, dann haben wir auch genug Geld,
um etwas Besseres
zu bezahlen.

John Ruskin (engl. Sozialreformer 1819-1900)

© Andrea Marchetti

Geiz hat etwas mit dem eigenen Selbstwert zu tun. Wir missbrauchen uns selbst, wenn wir vorwiegend die „Geiz-ist-geil-Mentalität“ leben. Und Qualität hat seinen Preis, ohne Wenn und Aber. Und wenn ich mit einem geringen Selbstwert durchs Leben gehe, dann sage ich mir selbst, daß ich nichts wert bin – und damit ist auch der andere nichts wert.

Und so kommt die Spirale immer mehr ins Laufen, d.h., die eigenen Geldmittel werden immer weniger, weil: ich bin es ja nicht wert, im Wohlstand zu leben. Das ist die Botschaft, die wir an uns selbst richten und die uns überwiegend vorgelebt wurde/wird.

Und dann das andere Extrem:

© Andrea Marchetti

Ich finde es ist doch immer wieder spannend zu beobachten, wie oft es tönt:
ich hab kein Geld.

Dennoch brummt genau bei diesen Menschen der Konsum: Es wird ausgegeben für Garderobe mit Markennamen, für teure Urlaubsreisen, für große Autos, hochwertige Stereoanlagen u.v.m. Werden wir davon satt – im Sinne von erfüllt sein von uns selbst? Oder deckelt dieser Konsum lediglich für einen Moment den fehlenden Selbstwert? Bis der Gegenstand nicht mehr die Freude auslöst und wir wieder auf der Jagd nach neuen „Eroberungen“ sind, um die innere Leere nicht zu fühlen.

Lohnt es sich, einmal diese Überlegung weiter zu bewegen und damit einen Paradigmenwechsel für uns selbst einzuläuten?

Herzlichst

Evelyn

– Mentorin auf Zeit –


3 Kommentare

  1. 1. Birgit Bauer

    Kommentar vom 27. November 2009 um 12:16

    Spannendes Thema. Ich bin der Meinung, dass wir diese Geizmentalität wieder aus unseren Köpfen verbannen müssen. Wir sind etwas wert. Und wir sind keine Schnäppchen. Genauso wenig die Leistung die wir erbringen, die Arbeit, die wir tun und die Produkte, die wir herstellen.

    Selbst bei mir schlägt es sich immer wieder nieder, dass Kunden kommen und mich fragen, ob ich etwas günstiger machen könnte. So schade ich es finde, aber ich habe mir angewöhnt „Nein“ zu sagen. Ich finde, meine Leistung ist genauso wertvoll wie die eines Handwerkers oder eines Bäckers oder ähnliche Produkte. Und da wird ganz ohne zu handeln der verlangte Preis bezahlt.

    Ich glaube, wir müssen unser Wertdenken überdenken. Letztlich ist es nicht der Preis, der oft etwas ausmacht, sondern das Preis-Leistungs-Verhältnis und ich gebe zu: Wenn ich gut beraten werde, einen Ansprechpartner habe, denn ich auch nach dem Kauf um einen Rat bitten kann, dann bin ich auch bereit, diese Leistung zu honorieren und zu wertschätzen.

    Und wie heißt es so schön? Nicht jedes Schnäppchen ist eins!

    Liebe Grüße
    Birgit

  2. 2. ew-b

    Kommentar vom 27. November 2009 um 14:31

    Liebe Birgit,
    hab vielen Dank für Deine Zeilen. Ich freue mich sehr, daß auch Du keine Lust hast, dieses Spiel mitzuspielen. Und je mehr Mitspieler sich verweigern, um so schneller verschwindet diese Mentalität. Und das kommt dem eigenen Selbstwert zugute. Jeden Tag neu üben. Ist wie bei einem Muskel, der bislang untrainiert blieb. Auch hier darf ich jeden Tag aktiv meine Übungen machen, damit Veränderung eintritt. Und so ist es letztendlich mit allem.
    Herzlichst Evelyn

  3. 3. Andrea

    Kommentar vom 24. Januar 2010 um 19:43

    Liebe Evelyn,
    du schreibst mir aus dem Herzen. Was meinen Konsum anbetrifft, mache ich es mir inzwischen einfach: Allzu viele Dinge brauche ich nicht, was ich brauche, ist klar definiert, und wo ich es kaufe, hängt zunehmend von der Atmosphäre ab. Und auf die wirkt sich die Geiz-ist-geil-Attitüde sehr negativ aus.
    Und auf der anderen Seite geht es mir wie dir, liebe Birgit. Manchmal ist das klare Nein der einzig Weg. Das ist dann einfach eine Frage der gegenseitigen (!) Wertschätzung. Denn ich schätze meine Kunden wert und arbeite aus diesem Gefühl der Wertschätzung sehr gern für sie.
    Liebe Grüße
    Andrea

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