Unterlegenheit und Überlegenheit

Roger Eyer

Roger Eyer

Manchmal habe ich den Eindruck, dass unsere ganze Gesellschaft ständig damit beschäftigt ist – und sich dabei ungeheure Mühe gibt – Hindernisse zu errichten. Lebenshindernisse. Das fängt schon bei den Kindern an. Kaum auf der Welt, beginnen wir im Kind Hindernisse aufzubauen.

Sehr früh pflanzen wir ihm den Vergleich ein. „Der Peter ist lieber als Du. Der Soundso ist folgsamer als Du. Und schau, was Dein Kollege für gute Noten hat und wie intelligent er ist! Und du, was bringst du heim?“ Dieser Floh des Vergleichs im Ohr wird ihn ein Leben lang verfolgen und seinem Glück im Wege stehen.

Vergleiche haben es in sich. Wirklich. Sie erzeugen in uns das Gefühl von Unterlegenheit und/oder Überlegenheit. Sobald wir im Vergleich leben, sehen wir nicht mehr einfach nur uns selbst. Wir sehen uns immer im Vergleich zu jemandem – von dem wir eigentlich nichts wissen und den wir meist gar nicht kennen. An dem Tag, wo sich in einem Menschen das Gift des Vergleichs eingeschlichen hat, ist fertig mit glücklich sein.

© Foto AS

Dabei ist der Vergleich völlig unsinnig, idiotisch, weil gar nicht möglich. Jeder ist von Geburt an einzigartig. Es ist unmöglich, ihn zu vergleichen. Ich bin ich, Du bist Du, Buddha ist ein Buddha, Obama ist Obama. Punkt. Ein Vergleich ist nicht möglich. Aber wir tun es unbeirrt und merken nicht, dass wir dabei immer Überlegenheit und Unterlegenheit erzeugen. So funktioniert nun mal unser Ego. Und dann entsteht natürlich der Drang, sich mit andern messen zu wollen.

Dann entsteht der Ehrgeiz, andere übertreffen zu wollen – wer will schon in Unterlegenheit leben. Es ist ein heisses Rennen und man ist ständig in Sorge, ob man es schafft oder nicht. Dabei hat natürlich jeder dasselbe Ziel: Erster zu werden. Das erzeugt viel Gewalttätigkeit, Hass, Aggression. Es macht das Leben schlicht zu Hölle. Wer besiegt wird, ist unglücklich….

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Und wer gewinnt ist auch nicht glücklich. Denn in dem Moment, wo einer „gesiegt“ hat, kommt sofort die Angst, dass ihm einer diesen Sieg streitig macht und er das Erreichte wieder verliert. So ist die Welt immer voller Konkurrenten, die auf Biegen und Brechen versuchen besser zu sein und uns zu überholen versuchen.

„Bevor Du Erfolg hattest, warst Du in Sorge, ob Du es schaffen kannst oder nicht. Jetzt, wo Du Erfolg hast – Du hast jetzt vielleicht das Geld oder die Macht, oder beides – hast du auch die Angst, all das wieder verlieren zu können. Vorher hast zu gezittert, jetzt zitterst Du erst recht. Die Verlierer sind unglücklich und die Sieger sind unglücklich“.

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Es ist echt schwierig, in dieser Welt wirklich glückliche Menschen zu treffen. Deshalb, weil viele die Bedingungen des Glücks gar nicht erfüllen. Die erste Bedingung ist: Höre auf zu vergleichen. Lege all die dummen Vorstellungen von Unterlegenheit und Überlegenheit bei Seite. Du bist weder schlechter noch besser als irgendjemand auf dieser Welt. Du bist einfach Du. Basta. Es gibt niemanden wie Dich – und deshalb bist Du unvergleichlich. Dann bist Du plötzlich bei Dir zu Hause an gekommen.

Ich wünsche Ihnen einen schönen Herbst.

Roger


2 Kommentare

  1. 1. Tina

    Kommentar vom 26. November 2009 um 23:51

    Das ist wunderbar geschrieben, und so voller Wahrheit! Ich werde jetzt immer innehalten und an diese Zeilen denken, bevor ich etwas zu meinen Kindern sage… 🙂 Manchmal merkt der Mensch gar nicht mehr, wie sehr er vergleicht udn bewertet, und wie das beim Gegenüber ankommen kann.
    Bzw. ist es auch müßig, sich selbst ständig an anderen messen zu wollen…

  2. 2. Birgit

    Kommentar vom 12. April 2010 um 05:55

    Als Kind kann man sich nicht wirklich gegen die Vergleiche wehren, das stimmt. Aber irgendwann hat man es selbst in der Hand, ob man sich auf den Kampf des Vergleiches einlassen wird oder nicht.

    Ich habe für mich beschlossen, es nicht zu tun, sondern zu leben und das in dem Wissen, dass genug für alle da ist, um glücklich zu sein. Annehmen muss man es halt wollen.

    Danke für den Anstoß!
    Birgit

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