Spiegelgesetze

© Andrea Marchetti

Jeden Tag begegnen uns Menschen und Situationen, die unsere Gefühle in Wallung bringen.  Sei es, das sie uns begeistern, sei es, das wir sie ablehnen. Was passiert eigentlich, was läßt uns re-agieren? Hier  ein Beitrag zum „Täter-Opfer-Verhalten“ anhand einer aktuellen Begegnung:

Ich hatte gestern ein Treffen mit einer Frau, welche ich bereits seit einigen Monaten über ein Internet-Forum ein Stück weit kennenlernte durfte, doch eben lediglich virtuell und nun sollte das persönliche dazu kommen. Uhrzeit und Ort (den wir beide kannten) für das Gespräch wurden ausgemacht und ich bot ihr an, sie von Daheim abzuholen, nachdem es sich für sie schwierig zeigte, sich festzulegen, wie sie dort hin kommt (Kosten für ein Taxi ca. 5 EUR, ansonsten hätte sie auch ihr eigenes Fahrzeug nehmen können oder die BVG). Ich erwähnte in diesem Zusammenhang, daß ich vorher noch Besorgungen vornehme und so nur einmal aus dem Hause bräuchte.

Nun, diese Besorgungen gingen schneller zu erledigen als ich annahm und so war ich bereits 1/2 Stunde früher da und informierte sie telefonisch darüber, dass alles zügiger ging als von mir gedacht. Das brachte sie in gefühlsmäßige Schwierigkeiten, denn der Lack von ihren Fingernägeln sei noch feucht und Schuhe hätte sie auch noch anzuziehen. Doch in rund 10 Minuten sei sie fertig. Ich meinte humorvoll: Bitte jedoch nicht später. 😉 Nach rund 1/4 Std. kam sie dann schon herunter und ich fuhr uns ins Restaurant, während sie äußerte, daß es etwas nach Rauch riechen würde, was ich bestätigte. „Oh“, kam als Frage, „Du bist Raucherin?“ Antwort meinerseits: „Ja, das hast Du ja auch auf den Bildern von mir gesehen und wir „sprachen“ auch darüber schon mehrfach auf meinem Profil.“

Im Restaurant angekommen, galt es die nächste Herausforderung zu meistern. Sie bestand darauf, im Nichtraucherbereich zu sitzen und ich wollte im Raucherbereich bleiben – der im Übrigen super gut gelüftet ist und wo ich die Erfahrung  machen durfte, daß auch absolute Nichtraucher sich dort wohl fühlen.  Ich lehnte ihren Vorschlag ab und bekam zu hören, daß ich es wohl mal zwei Stunden ohne Rauchen aushielte und sie auf der Sitzbank sitzen wolle wegen ihres Rückens. Meine Erklärung war ganz einfach: Ich bin hier zu meinem Privatvergnügen und dazu gehört für mich auch nach dem Essen ein Zigarillo. Ich sah, dass an der Bar die Plätze auf der Sitzbank frei wurden und sie bekam den für sie notwendigen Sitzplatz; ihr Bedürfnis, ihren Rücken zu schützen bzw. zu unterstützen, war erfüllt.

Das Gespräch selbst zeigte sich dann sehr anstrengend und energieraubend. Eine lockere und flüssige Unterhaltung war kaum möglich. Und sie zeigte sich einmal mehr als Freundin von “ ja / aber“…  und war permanent im Berichten darüber, was alles schief lief. Das machte das Gespräch für mich sehr schwierig, denn immer wieder negierte sie ihre eigenen und meine Aussagen, schob ihre gemachten Erfahrungen, weg mit „aber“ – und das in jedem 2. spätestens 3. Satz.

Sie präsentierte sich ständig als Opfer der Umstände, als Opfer des Lebens, als Opfer ihres Körpers, als Opfer von … Irgendwann meinte ich, daß ich es leid bin, immer wieder ihr „aber“ zu hören, und erläuterte ihr, daß alles, was vor dem „Aber“ gesagt wird, abgelehnt wird und wie eine „Watschen“ wirkt, sich selbst und anderen gegenüber…  Und da ging das mit dem „Aber-Sagen“ erst richtig los. Das leckere Essen blieb mir fast im Halse stecken. Nach dem Essen erbat sie sich von mir 1 Zigarillo mit der Aussage, daß sie gerne mal bei einem Wein raucht.

Spannend war auch zu beobachten, daß von ihr keinerlei Danke ausgesprochen wurde gegenüber dem sehr aufmerksamen Service. Alles selbstverständlich? So auch wie das Angebot von mir, sie abzuholen? Es kam der Punkt, wo ich für mich die Notbremse zog und dann zu ihr meinte, daß ich jetzt sofort fahren müsse, da mir unwohl sei. Das war ein erneuter Kritikpunkt für sie. Prompt  kam der Hinweis, daß sie ihr 2. Glas Wein noch in Ruhe austrinken möchte und die Frage, wie sie denn wieder nach Hause käme? Meine Antwort war praktischer Art: vorn an der Ecke (ca. 50 m entfernt) stehen Taxen; eine Absprache zwischen uns darüber, wie sie wieder nach Hause kommt, fehlte.

Ich bezahlte meinen Verzehr, verabschiedete mich von ihr, gab ihr auf ihre Bitte hin noch ein zweites Zigarillo und ging. Sofort ging es mir ein Stück besser. Ich war einem „Energievampir“ begegnet, der sich von mir nährte bzw. nähren wollte und ich zog für mich noch rechtzeitig die Bremse, achtete also gut auf mich und meine Gefühle bzw. Bedürfnisse. Ich nahm meine Verantwortung für mich selbst wahr und das hat auch ein anderer für sich selbst zu tun. Weshalb „soll“ ich die Bedürftigkeit eines anderen inneren Kindes füttern? Bin ich dessen „Mutter“? NEIN!

Später bekam ich dann noch eine Mail, worin sie sich beschwerte, daß sie mich gleich am Anfang im Restaurant hätte allein lassen sollen (oh, das wäre eine Freude für mich gewesen!), doch sie sei ein Harmoniemensch und wäre dazu rücksichtsvoll, im Gegensatz zu mir, die lediglich voller Geltungsbedürfnis sei, voller Dominanz und ausgestattet mit Testosteron für 100 Männer, was an meinem Gang zu erkennen sei – und sie „kündige“ mir die Freundschaft. Sie hätte schon im vergangen Jahr das Gefühl gehabt, daß es besser ist, sich nicht mit mir zu treffen… Ich konnte nur noch lachen, ich war so etwas von erleichtert, bedankte mich für ihre Zeilen und meinte, daß ich sie so stehen lasse. Ich sah am nächsten Tag dann, daß sie mich sogar in ihrem Netzwerk blockierte… So reagiert nur ein Mensch, der sehr verletzt ist und in alten Mustern fest hängt.

Was war bzw. ist geschehen? Es wäre gut, wenn auch sie sich mit den Spiegelgesetzen einmal beschäftigte und nach innen geht. Ja, ich sorgte gut für mich und meine Bedürfnisse, kommunizierte diese auch offen statt versteckt. Wir treffen jederzeit unsere Wahl selbst, und je klarer wir über diese  sind, desto besser für alle  Beteiligten und ganz besonders für uns selbst. Ich mag u.a. die Spiegelgesetze:

1. Spiegel
Alles, was mich am Anderen stört, ich am Anderen kritisiere oder sogar bekämpfe und verändern will, hat in irgendeiner Weise mit mir selbst zu tun. Dieses Thema bzw. diese Eigenschaft lebe ich selbst zu wenig oder zu viel und daher berührt es mich so emotional.

2. Spiegel
Alles, was der Andere an mir (!) kritisiert, bekämpft und verändern will und ich mich deswegen verletzt fühle, so betrifft es mich – ist dieses Thema in mir noch nicht gelöst.

3. Spiegel
Alles, was der Andere an mir kritisiert und mir vorwirft oder anders haben will und bekämpft und mich dies nicht (!) berührt, ist es sein eigenes (!) Bild, sein eigener Charakter, seine eigenen Unzulänglichkeiten, die er auf mich projiziert.

4. Spiegel
Alles, was mir am Anderen gefällt, was ich an ihm liebe, bin ich selbst, habe ich bald integriert oder habe ich selbst bereits in mir und liebe dies im Anderen. Ich erkenne mich selbst im Anderen.

Hier auch ein Link dazu, sehr empfehlenswert ihn sich anzusehen:

Ich hoffe für diese Frau, daß sie dennoch über den gestrigen Abend in Ruhe nachdenkt und die Geschenke darin für sich selbst findet.

Ich fand meine – und dafür bin ich dieser Begegnung sehr dankbar. Das Leben kann so einfach sein! Wir bekommen zu jedem Zeitpunkt die passenden Hinweise bzw. Lektionen, die uns zeigen, wo wir außerhalb unserer Klarheit und Eigenverantwortung sind. Wenn wir u.a. die Spiegelgesetze beachten, hören wir auf, anderen Schuldgefühle machen zu wollen. Wir hören auf, unsere Mitmenschen emotional zu missbrauchen, wir hören auf, uns als Opfer zu fühlen und den anderen als Täter verantwortlich zu sprechen.

Herzlichst

Evelyn

– Mentorin auf  Zeit –

Nachtrag vom 20.06.2012

Ich fand hier im Sein noch einen guten Beitrag zu den Spiegelgesetzen. Er wird Dich bestimmt auch interessieren.


2 Kommentare

  1. 1. manuela gentner

    Kommentar vom 15. Mai 2012 um 09:40

    hm…. da bin ich wohl auf ner grat
    wanderung…

  2. 2. Evelyn

    Kommentar vom 15. Mai 2012 um 10:47

    Glaube ich gerade weniger, Manuela. Schau einfach mal unter dem Begriff Abwehrmechanismen nach (als Stichwort oben eingeben)… darin (be)findest auch Du Dich. Denn nicht umsonst gibt es die Verdrängungsmechanismen.

    Herzlichst
    Evelyn

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