Eine Ode an die Arbeit

© Andrea Marchetti

„Eine Ode an die Arbeit“ ist ein besonderes Zwiegespräch zum Abschied. Lohnenswert, diesen Gedankengängen nachzuspüren:

Jetzt hätte ich unseren Dialog doch bald mit der von mir so gern genutzten Floskel „Liebe Arbeit“ eröffnet! Es war und ist mir doch immer wichtig, in jedem Menschen zunächst das gute, fürsorgliche, auch das kultivierte Subjekt zu sehen. Aber Du bist ja gar kein Mensch, liebe Arbeit, vielleicht ist es ja deshalb über die Jahre so schwierig geworden, sich mit Dir zu verständigen. Aber nein, das kann hier kein Dialog werden, es wird ein Monolog und das ist gut so.

© Andrea Marchetti

Du sollst mir endlich zuhören!

  • Du kannst mir jetzt vorhalten, ich würde die Situation ausnutzen, was soll das, Du hast mich doch ein ganzes Leben lang ausgenutzt!
  • Wir haben uns entfremdet! Arbeit!
  • Nein, ich nenne Dich nicht mehr „lieb“, Du bist nicht mehr ein Freund!
  • Du bist mir zu kalt, zu würdelos geworden, so kann ich mit Dir nicht leben.
  • Unsere Wege werden sich trennen, Du weißt, dass sich diese Entwicklung schon lange abgezeichnet hat.
  • Es gibt keinen Weg zurück!
© Andrea Marchetti

Als wir uns vor vielen Jahren zusammengefunden haben, um an Deinem Markt und vor allem f ü r die in ihrer Existenz bedrohten Menschen etwas zu bewegen, da waren wir wie frisch Verliebte, voller Zuversicht und Euphorie.

Ich hatte eine Erwartung, auch einen Anspruch an Dich!

© Andrea Marchetti

Und Millionen waren von Dir getrennt, Arbeit, von Dir und Deinem Markt. „Yes we can“ das war schon damals unsere unausgesprochene Parole. Und dennoch, Du bist mir sehr früh suspekt geworden, Arbeit! Ich habe schon damals heimlich in Deiner Vita geblättert. Und die ist lang und grausam und sie ist in all den vielen Jahren widersprüchlich und verwirrend geblieben.

© Andrea Marchetti

Du weißt, dass Du schon immer bei denen verpönt warst, die Dich anderen gegenüber preisen? Es gibt Menschen, die kommen blendend ohne Dich aus, verpflichten aber gerne die Geknechteten, Dir zu huldigen und sich Dir willenlos zu unterwerfen. Du bist geradezu zu einem Gott stilisiert worden, auch von den Klerikern, auch das gehört zu Deiner Geschichte.

Arbeit!

© Andrea Marchetti

Gott Arbeit, wie ein goldenes Kalb wirst Du angebetet! Das schmeichelt Dir (ich weiß) und dient denen, die mit Dir eigentlich gar nichts am Hut haben wollen. Aber ich muss langsam den Kreis schließen, ich habe nur noch wenig Zeit, Du hast mir doch schon soviel davon gestohlen.

Wie oft habe ich der Not in die Augen geschaut, wie oft habe ich suchend aus dem Fenster geblickt, wenn Du mich zwingen wolltest, Statistiken zu bedienen.

© Andrea Marchetti

Menschen zu verwalten!

Ja, Arbeit, wir stehen im Widerstreit, waren uns niemals hold und sind uns auch gerne aus dem Weg gegangen. Arbeit, Du bist ja dennoch ein alter Weggefährte, bist mir eigentlich schon viel zu früh über den Weg gelaufen.

  • Du hast mich ent-täuscht und das ist gut so.
  • Du hast mich deformiert, hast versucht mir die Seele zu stehlen.
  • Du hast versucht mich und mein Recht zu beugen, hast mich gezwungen Dinge zu tun, die ich nie tun wollte.
  • Du hast mich missbraucht, mich gedemütigt und erniedrigt.
  • Du bist mir nie gerecht geworden und auch all den Millionen „Nehmern“ nicht, die Deinen Namen tragen.

    © Andrea Marchetti

Dabei weißt Du, Arbeit, dass die Menschen Dir mit Ihrer Schaffenskraft Dir Deine Faszination genommen haben, sie entwickeln immer klügere Technologien!

Um Dich entbehrlich zu machen.

Unser Vorteil in ist es, dass wir die „Lohnstückkosten“ senken können und das nicht deinetwegen, Arbeit! Sondern gerade weil wir Dir Einhalt geboten haben. Das ist schon seit Beginn der Industrialisierung unsere hinterhältige Taktik, Du hast das nicht gemerkt, Du dumme Arbeit! Dabei hättest Du doch jede Chance gehabt, Dich ganz anders zu positionieren, Dich „neu aufzustellen“.

© Andrea Marchetti

Wobei „neu“ auch schon wieder so eine Täuschung wäre, eigentlich geht es hier um Deine ursprüngliche und dann auch eigentliche Bedeutung. So wirst Du mir nie wirklich ausgehen, du wirst mir bleiben und ich werde Dir ein neues Gesicht geben.Und dann bin ich der Koch und Du der Kellner!

Ich beende damit meine „Karriere“ als Fallmanager im Hartz IV – Unrecht – System. Ich schäme mich dafür, so lange daran geglaubt zu haben, auch hier an die Menschenrechte erinnern zu können.

© Andrea Marchetti

Adieu, „Arbeit“, es gibt keinen Weg zurück!

– Autor ist Norbert Wiersbin

Ein Mann, der auf seine eigene Stimme hört und seinen eigenen Weg geht. Ein Mann, der die Konsequenzen trägt für sein Handeln.

Ein Einzelfall? Nein – es werden immer mehr die sagen: Stop, hier steige ich aus und sich damit von dem Mainstream verabschieden. Nur so ist Veränderung möglich, auch wenn sie unbequem ist.

Eine Empfehlung:
Lies hier auf diesem Blog einmal den Beitrag „Wer bin ich ohne Arbeit?“ …

Herzlichst

Evelyn

Mentorin auf Zeit

Nachtrag vom 13.08.2012

Ich fand heute einen interessanten Artikel, den ich hier verlinke. Da geht es darum, wie Druck auf die Schwächsten in der Gesellschaft ausgeübt wird.

Professor Stephan Lessenich fordert die Abschaffung der Sanktionen, weil sie weder motivieren noch strukturelle Probleme lösen.


2 Kommentare

  1. 1. Norbert Wiersbin

    Kommentar vom 4. August 2012 um 18:21

    Ich danke für die Veröffentlichung und das ansprechende Layout, liebe Evelyn Worbs!

  2. 2. Evelyn

    Kommentar vom 4. August 2012 um 20:57

    Und ich danke Dir, lieber Norbert,

    für diesen großartigen Beitrag und dafür, daß ich ihn hier einstellen durfte. Und ich denke, daß Dir vieles leichter fiel, als die Konsequenz aus Deinem Resümee zu ziehen.

    Meine Hochachtung Dir dafür!
    Herzlichst
    Evelyn

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