Ehrlichkeit

© Andrea Marchetti

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Welch ein anstrengender Samstag war das. Einkäufe, Besorgungen und vieles mehr standen auf dem „Einkaufszettel“. Endlich ging es wieder Richtung „Heimat“. Parkplatzsuche ist auf Anhieb erfolgreich, und welch eine Erleichterung, daß er auch noch fast vor der Haustür zu finden ist.

Tasche geschnappt, Einkaufstüten dazu, Autotüren verschließen … und nur noch ab in die Wohnung. Dort nur noch alles auspacken und es ist Ruhe angesagt.

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Am nächsten Sonntag dann am Nachmittag Tasche hervorgeholt, nachgeschaut, ob ich alles dabei habe, was ich dabei haben wollte … doch, oh Schreck, das Portemonaie ist weg. Alles durchgesucht … nichts. Kann also nur noch im Auto liegen, da ich es ja bei meinem letzten Einkauf noch hatte und direkt damit zum Fahrzeug bin.

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Voller Optimismus zum Auto und nachgeschaut. Nichts, alles durchsucht, jede Ritze…, nichts zu finden. Auf einmal steht eine Dame neben mir an der offenen Autotür und fragt „Suchen sie ihre Geldbörse?“ Ich bestätigte und sie erwiderte daraufhin:

„Mein Mann sah vom Balkon aus, daß Ihnen das Portemonaie aus der Tasche fiel. Er war so überrascht davon, daß es einen Moment dauerte, bevor er rufen wollte, doch da waren Sie schon aus dem Blick. Dann sah er ein Fahrzeug auf der anderen Straßenseite an der Ampel stehen, sah weiter, wie der Fahrer des Fahrzeuges die Tür öffnete, zu Ihrem Fahrzeug lief, die Geldbörse aufhob und wieder zurück in sein Fahrzeug lief, um dann bei der inzwischen auf Grün umgeschalteten Ampel los zu fahren.“

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Es gab kein Kennzeichen, weil die parkenden Fahrzeuge am Straßenrand dies verhinderten.

So, damit kein Geld, keine Papiere, kein gar nichts. Damit war auch nichts mit dem Nachmittagskaffee. Mein Weg führte mich direkt zur Polizei, um Anzeige zu erstatten, EC-Karte zu sperren u.s.w., u.s.w. Der Beamte war freundlich, nahm alle Informationen entgegen, schrieb die Stelle für die Kartensperrung an, ich bekam das erforderliche Aktenzeichen – und eine ungefähre Benennung der Kosten für einen neuen Führerschein, für einen neuen Personalausweis, für eine neue Fahrzeugzulassung.

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Mir schwante einiges, denn es waren auch all die Mitglieds-und Versicherungskarten etc. weg, die mit im Portemonaie lagen. In meinen Gedanken: Das wird eine Lauferei und ein Zeitaufwand, all das wieder zu beschaffen. Verärgert wieder nach Hause, denn für’s Kaffee trinken gehen war kein Geld mehr da und dank fehlender Bankkarte auch keine Abhebung möglich.

Montag direkt zur Bank, dort nochmals die Karte sperren lassen, eine neue beantragt und Geld abgehoben. Und noch immer brodelte in mir die Wut auf mich über meine Nachlässigkeit… Hätte ich doch bloß mehr aufgepaßt, hätte ich doch … Die Selbstanklage war hoch.

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Doch ich beruhigte mich auch wieder. Was brachte mir das Ärgern? Nichts! Also auf zum Kaffee trinken und meine Laune hob sich. Doch irgendwie schob ich es heraus, die Behördengänge anzugehen. Ich wählte statt dessen die Erfahrung zu machen, daß das Portemonaie vollständig zu mir zurück findet.

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Und zwei Tage später klingelte es am Abend an der Tür. Ein Mann im mittleren Alter stand vor der Tür und überreichte mir mein Portemonaie. Meinen Gesichtsausdruck hätte ich gerne selber gesehen in diesem Moment. Ich war einfach nur sprachlos, als ich den lächelnden Mann vor mir sah. Er meinte, daß er das Portemonai hätte liegen gesehen, es deshalb aufhob, jedoch vorher keine Zeit gehabt habe, es mir zu bringen.

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Ich nahm die Geldbörse an mich, öffnete sie, um ihm Geld als Dank zusätzlich zu geben, doch er lehnte ab. Mit einem solch herzlichen Lächeln, wie ich es lange nicht sah. Er meinte lediglich: Nein, wenn mir so etwas passieren sollte, wünsche ich mir, daß es auch so ausgeht. Wir umarmten uns, ich bedankte mich erneut und er zog dann wieder von dannen. (Nur am Rande sei erwähnt, daß der Mann ein Serbe ist.)

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Alles war im Portemonaie vorhanden, jeder Cent, jedes Stück Papier, jede Visitenkarte, alle für mich so wichtigen Papiere. Es fehlte absolut NICHTS!!! Ich blieb lange sprachlos, fassungslos. Und dann breitete sich in mir ein Lachen aus, ich war vollkommen glücklich und ausgelassen.

Und da war sie, die Erfahrung, im Vertrauen zu bleiben, daß alles gut ist, so wie es ist. Wieder einmal mehr hatte alles seinen Sinn. Und ich bin dankbar dafür, durch all meine Ängste, Zweifel, Selbstanklagen und mehr gegangen zu sein, um dieses Geschenk zu empfangen.

Welche Erfahrungen durften Sie bereits machen?

Herzlichst

Evelyn

– Mentorin auf Zeit –


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